Village Voice: Battle zwischen Tradition und Vision
So lange ist es noch gar nicht her, da schien Berlin der schwarze Kontinent auf der Landkarte des deutschen Rap. Das hat sich gründlich gewandelt: Battle-Rap aus Berlin besetzt die Charts, Kool Savas sei Dank. Der mittlerweile zum Altmeister mutierte König der Berliner Schulhöfe hat, wie er im Intro verkündet, „zwei der besten Rapper in Deutschland vereint“ auf der albumlangen Kollaboration mit seinem Frankfurter Gegenstück Azad. „One“ heißt das Gipfeltreffen der Battle-Rapper und natürlich jagen sich darauf die F-Wörter und das hemmungslose Anpreisen der eigenen Qualitäten. Vor allem aber ist „One“ ein schöner Vergleichstest, der auch dem Unbelecktesten demonstriert, dass es sehr wohl Unterschiede gibt im Battle-Genre: Während Azad die ewig gleichen, ausgelutschten Reime aus „bomben“ und „bumsen“ abliefert, ringt Savas dem rituellen Runtermachen anderer Rapper dann doch hin und wieder eine neue Idee ab. Dann säuselt Xavier Naidoo noch einen Refrain, und in seiner Durchschnittlichkeit beweist das Album vor allem eines: Der DeutschHop ist in der Normalität angekommen und kann sich eben auch Alltagsware leisten.In diesen Alltag zurückkehren möchte Rene El-Khazraje. Ehemals Freestyle-Wunderkind und Viva-Moderator ist MC Rene zwar zuletzt bei Publikum und Kollegen schwer in Ungnade gefallen, hat aber in einer 12-jährigen Karriere ein so breites Ausdrucksspektrum entwickelt wie niemand sonst hierzulande. Neuerdings nennt sich der seit fünf Jahren in Berlin lebende Halbmarokkaner aus Köln Reen und versucht mit eigenem Label und der EP „Die Enthüllung“ sein Comeback einzuleiten, indem er im größenwahnsinnige 16 Minuten dauernden Titeltrack die eigene Autobiografie detailverliebt auflistet, in alle Richtungen auskeilt und ein paar existenzielle Fragen stellt: „Vielleicht war es falsch, sich selbst so wichtig zu nehmen?“ In seinen Raps findet sich Michel Friedman ebenso wieder wie Eminem oder Tommekk, er kann schimpfen und angeben, Geschichten erzählen, in fremde Rollen schlüpfen und dann auch noch sich selbst und sein Image ironisch hinterfragen. Das ist entschieden mehr, als einige in der immer noch arg dogmatischen Szene verkraften können.Dabei sieht der Nachwuchs die Sache auch längst lockerer. Michael Mic stellt auf seinem Debütalbum „Tage des Donners“ schnell klar: „Ich bin kein Gangster, ich mach nur Entertainment.“ Nur um anschließend alle sexistischen Klischees, die das Genre im Angebot hat, durchzuexerzieren. Im Gegensatz zur internationalen Konkurrenz allerdings kontrastiert der gerade mal 22-Jährige seine unterleibgesteuerten Reime nicht mit opulenten Beats. Stattdessen baut er unter dem weit gehenden Verzicht auf Samples vornehmlich aus antiquierten Synthie-Klängen und archaischer Beatbox eine reduzierte Soundkulisse, die so luftig klingt wie metallisch, so altmodisch wie ihrer Zeit voraus. So respektlos sein Mundwerk auch sein mag, Michael Mic ist ein junger Mensch, der sich auf Traditionen besinnt. Eigentlich ist Battle ein konservatives Genre. THOMAS WINKLER
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