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Hartherzige Behörde

Ausländerbehörde ignoriert fast jede dritte Empfehlung der Härtefallkommission. Betroffen sind vor allem Behinderte und kranke Mütter. Kommissionsmitglied: Bleiben darf, wer „nützlich“ ist

VON FELIX LEE

Was für den Optimisten ein halb volles Glas ist, interpretiert der Pessimist als halb leer. Günter Piening, Beauftragter des Berliner Senats für Integration und Migration, schien sich auf die Seite der Optimisten geschlagen zu haben, als er gestern von einer „zurückhaltend positiven 100-Tage-Bilanz“ sprach. Er meinte damit die Arbeit der Härtefallkommission, die seit dem Inkrafttreten des neuen Zuwanderungsgesetzes die Abschiebung von rund 280 abgelehnten Asylbewerbern und Flüchtlingen verhindern konnte.

Insgesamt 151 Fälle, in denen meist mehrere Familienangehörige eingerechnet sind, haben die Kommissionsmitglieder beraten. 57 Fälle haben Innensenator Ehrhart Körting (SPD) und die ihm unterstehende Ausländerbehörde als Härtefall anerkannt, 33 konnten aufgrund anderer Regelungen gelöst werden, 21 sind noch nicht entschieden. Aber in 40 Fällen lehnte Körting das Härtefallersuchen ab. Damit überging er das siebenköpfige Gremium bei fast einem Drittel der Empfehlungen. Leider sei es nach wie vor sehr schwierig, „Körting von unserer Sicht der humanitären Härte zu überzeugen“, kommentierte dies Kommissionsmitglied Traudl Vorbrodt von Pax Christi.

Neben ihr sitzen in dem Gremium Vertreterinnen der Senatsfrauenverwaltung und des Integrationsbeauftragten sowie je ein Vertreter der beiden großen Kirchen, der Wohlfahrtsverbände, des Migrations- und des Flüchtlingsrats. Anders als das Vorgängergremium, das es in Berlin bereits seit 1990 gab, kann die Härtefallkommission laut dem neuen Zuwanderungsgesetz mit einer Zweidrittelmehrheit ein Härtefallersuchen beim Innensenator stellen. Damit haben die Länder erstmals die Möglichkeit, aus humanitären Gründen Abschiebungen zu verhindern. Exakt definierte Kriterien gibt es zwar nicht. Allerdings spielen Aufenthaltsdauer, Gesundheitszustand und Integration der Flüchtlinge eine entscheidende Rolle. Vor allem Kinder und Jugendliche, die ihr Herkunftsland gar nicht mehr kennen, dürften nun bessere Chancen auf ein Bleiberecht haben.

Verbindlich sind die Empfehlungen für Körting und seine Ausländerbehörde aber nicht. Körting braucht nicht einmal eine Begründung zu liefern, warum er die Empfehlungen der Kommission ablehnt. Vorbrodt äußerte den Eindruck, dass anscheinend nur die bleiben dürfen, die für Deutschland als „nützlich“ gelten. Sämtliche Anträge von Schwerbehinderten und kranken Müttern seien trotz positivem Votum abgelehnt worden, berichtete Vorbrodt. Und auch die Familienzusammenführung habe bei der Entscheidung offensichtlich keine Rolle gespielt.

Pienings Kritik ist deutlich moderater und richtet sich vor allem gegen die Ausländerbehörde. Trotz positivem Bescheid des Innensenators lasse sie mit der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis häufig viel zu lange auf sich warten. Zudem bedauerte er, dass die sprunghaft angestiegenen Fallzahlen für die zumeist ehrenamtlich tätigen Mitglieder der Kommission „einen fast kaum noch zu rechtfertigenden Aufwand“ bedeuten. Viele Schicksale hingen ganz allein am Engagement dieser Ehrenamtlichen, die dann im Falle einer Ablehnung den Betroffenen auch noch die schlechte Nachricht überbringen müssen, bedauerte Piening. Sie hätten die schwere Last zu tragen, nur „um die humanitären Defizite, die das Ausländerrecht nach wie vor hat, ein wenig abzudämpfen“.

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