Rasant wachsende Nische

Der Landkreis Diepholz entwickelt sich zum heimlichen Ausbildungszentrum für Baubiologie. Grund ist ein Kursangebot, das sich allein an Frauen richtet. Organisiert hat es das Ver.di Bildungswerk – zusammen mit den örtlichen Frauenbeauftragten

Der neue Kindergarten ist frisch eingeweiht, da sorgt er schon kräftig für Ärger: Kinder und ErzieherInnen klagen über häufige Kopfschmerzen, die Eltern laufen Sturm. Der Bösewicht ist schnell gefunden. Es ist der Kunststoff-Boden, der nicht nur einen penetranten Gestank verbreitet, sondern auch noch Schadstoffe an die Luft abgibt. Ein teurer Spaß.

Eine ArchitektIn mit baubiologischen Kenntnissen hätte wahrscheinlich gleich einen anderen Bodenbelag ausgesucht. Genauso, wie die entsprechend ausgebildete Hausverwalterin gleich erkannt hätte, dass die überlaufende Regenrinne für den Schimmel an der Zimmerwand verantwortlich ist und nicht der falsch lüftende Mieter. Und wie die MaklerIn nicht unbedingt das Einfamilienhaus direkt unter der Hochspannungsleitung in ihr Portefeuille aufgenommen hätte. Eine „Nische“ sei die Baubiologie, sagt Annegret Merke. Oder: „Ein Zukunftsberuf.“

Merke ist Frauenbeauftragte der Gemeinde Stuhr. Und hat von daher ein Interesse daran, Frauen dabei zu helfen, in einer Branche Fuß zu fassen, in der sie bisher deutlich unterrepräsentiert sind. Wie in der Bau- und Immobilienbranche.

„95 Prozent Männer“ zählte etwa Projektleiter Martin Möhring von der Stuhrer Außenstelle des Bildungswerks ver.di bei den Fortbildungskursen im Holzbau, Heizungs, Sanitär und Elektro-Bereich. Den Ausgleich sollte die Baubiologie bringen.

Ob Schimmelpilze, Elektrosmog, oder giftige Tapeten – zu über 90 Prozent, erinnert sich Möhring an seine frühere Tätigkeit im Stuhrer Umweltzentrum, waren es Frauen, die Fragen zum Thema Gesundheit und Wohnen stellten. Den 40-tägigen Lehrgang, der aus Architektinnen, Maklerinnen, Hausverwalterinnen, Mitarbeiterinnen des Baustoffhandels und anderen „geprüfte Baubiologinnen“ machen sollte, schrieb das Bildungswerk daher ausschließlich für sie aus. Die Frauenbeauftragten des Landkreises Diepholz sorgten für Werbung und Seminarräume in den Rathäusern. Meßanalytik, Umweltmedizin, Materialkunde, Physik, Biologie und Chemie sowie das Erstellen von baubiologischen Gutachten stehen auf dem Lehrplan. Das europaweit einmalige Angebot füllte ganz offenkundig eine große Lücke.

An die 100 Frauen haben die Kurse nach Angaben Möhrings bereits absolviert, mindestens noch einmal so viele musste er abweisen – aus Mangel an Plätzen. „Es gibt einen gewissen Druck in verschiedenen Berufsgruppen, sich im Bereich Baubiologie weiterzubilden“, ist Möhrings Erfahrung.

Erste Früchte trägt die Bildungsoffensive bereits. 20 Absolventinnen haben sich zum Fachkreis Baubiologie Nord-West zusammengeschlossen, fünf arbeitslose Baubiologinnen sind mit dessen Hilfe in Lohn und Brot gekommen. Der nächste Baubiologie-Kurs ist bereits ausgebucht. Möhring plant noch ein Alternativangebot: Holzbau. Auch das women only. sim

Der Fachkreis organisiert am 16./17. April im Rathaus Stuhr die 1. Regionale Baubiologische Messe „Gesundes Bauen und Wohnen“. Infos unter http://www.stuhr.de/Leben_in_Stuhr/Frauen/Baubiologische_Messe.asp.