piwik no script img

Öfters saufen in Bornemanns Bar

BERLINER FESTSPIELE Thomas Oberender, neuer Intendant der Berliner Festspiele, stellte sein Team und seine erneuerte Programmkonzeption vor

Oberender will den Berliner Festspielen mit monatlichen Programmreihen neues Leben einhauchen

Heute Abend sind sie noch einmal im Haus der Berliner Festspiele zu bewundern, die über 50 „Zwischenfälle“, die Andrea Breth am Burgtheater Wien inszeniert hat: eine launige Collage aus über hundert Jahren alten Sketchen, elegant, absurd, komisch und von einem Grausen, das märchenhaft und bedrohlich ist.

Prominente Zuschauer

Untern den Zuschauern der Berliner Premiere saßen mindestens so viele berühmte Theaterschauspieler wie auf der Bühne standen, oben Udo Samel, Corinna Kirchhoff, Hans-Michael Rehberg und Peter Simonischek, unten Edith Clever, Otto Sander und Elisabeth Trissenaar. Das hatte etwas von einem Theaterfest, satt von Erinnerungen, als Westberlin in der Kunst strahlte und nur in der Kunst. Und genau von dieser Aura, die so leicht zu einem Gespenst der Vergangenheit werden kann, haben die Berliner Festspiele noch immer mehr als genug.

„Zwischenfälle“ glänzt wie ein Solitär in der Gastspielreihe Spielzeit Europa, so wie viele der dort eingeladenen Produktionen aus Tanz und Theater. Auch wenn die Festspiele an einigen Aufführungen jedes Jahr als Produzenten beteiligt waren, es reichte nicht, um ihrem Programm oder dem Festspielhaus ein eigenes Profil zu verleihen.

Das könnte jetzt anders werden. Am Dienstag stellte Thomas Oberender, der Joachim Sartorius als Intendant folgt, sein Team vor. Sartorius sorgte dafür, dass die Festspiele ihr eigenes Haus erhielten, in einem der schönsten Theater Westberlins, 1963 von Fritz Bornemann erbaut. Damit dort auch Leben zwischen Theatertreffen und Literaturfest einzieht, will Oberender mit neuen Programmreihen sorgen, monatlich, und nicht nur in Festivalzeiten. Etwa mit literarischen Premieren, die neue Bücher vorstellen und das Literaturfest ergänzen, oder mit Künstlervideos, die an der Schnittstelle von Kunst, Performance, Theater und Tanz entstehen. Damit es regelmäßiger Anlässe gibt, an der eleganten Bornemann Bar im oberen Theaterfoyer zu stehen und Neues kennenzulernen.

Ein Merkmal der Festspiele ist die Vielfalt der Genres, die sie in unterschiedlichen Festivalformaten betreuen – zu einem Markenzeichen aber wurde diese Vielfalt nicht, zu weit liegen anscheinend die Milieus ihrer Konsumenten auseinander. Da gibt es das Theatertreffen und das Jazzfestival, Gründungen aus der Nachkriegszeit, als Westberlin dringend Kulturbrücken nach außen brauchte.

Auftritt als Moderator

Da gibt es die Märzmusik und das Literaturfestival, das Musikfest, das mit den Berlinern Philharmonikern kooperiert, die Bundeswettbewerbe in Musik, Theater und Literatur für Jugendliche unter 21, Ausstellungen im Martin-Gropius-Bau – all das fällt unter Oberenders Intendanz, all das soll weitergehen. Und so trat er denn bei seiner ersten Pressekonferenz mehr als ein Moderator zwischen den Kuratoren der einzelnen Reihen auf.

Aber er hatte auch Neues vorzustellen: Die Reihe Spielzeit Europa läuft aus, an ihre Stelle rückt ein neues Festival im Oktober, das 2012 Frie Leysen leitet, lange verantwortlich für das Kunstenfestival in Brüssel und 2010 für das Theater der Welt. Sie will denn auch Projekte aus Asien, Afrika und Lateinamerika nach Berlin holen, als kompaktes Programm für drei Wochen – eine Struktur, die mehr verspricht als die Solitäre der Spielzeit Europa.

Neu im Team um Oberender sind auch Christiane Kühl, Journalistin, Theaterkritikerin (auch für die taz) und Performerin, die mit an der Belebung und Neupositionierung des Hauses arbeiten soll, und Christina Tillmann, die als Redakteurin einer Reihe von eigenen Editionen des Hauses betreut. Deren erste Ausgabe, ein dünnes Heft mit einem Text von Hanns Zischler „Großer Bahnhof“ und Holzschnitten von Christiane Baumgartner, konnte gleich an die versammelten Journalisten verteilt werden: ein erster Beleg dafür, dass die Suche nach neuen Formaten und eigenen Produktionen schon Ergebnisse zeigt.

KATRIN BETTINA MÜLLER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen