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Der Hartnäckige

Seine Gesundheit lasse es nicht mehr zu, den eigenen Ansprüchen gerecht zu werden – so begründet der Bassbariton Thomas Quasthoff (52) nach 40 Jahren seinen Rückzug von der Bühne. Wäre es nach der Musikschule Hannover gegangen, so hätte diese Karriere nie begonnen. Die nämlich verwehrte dem contergangeschädigten Jungen die Aufnahme mit der Begründung, dass sein Klavierspiel, eingeschränkt durch die verkürzten Arme und Beine, nicht ausreiche.

Es sollte anders kommen. Quasthoffs Vater erwirkte ein Vorsingen beim Leiter der Abteilung „Kammermusik und Lied“ des NDR in Hannover, der wiederum den Weg zu einem Gesangsstudium ebnete. 1984 hatte er seinen ersten öffentlichen Auftritt in der Braunschweiger St. Johannis-Kirche, der Durchbruch gelang Quasthoff vier Jahre später, als er den Internationalen Musikwettbewerb der ARD gewann.

Begonnen hat er mit Liedern, er sang die Klassiker des Genres, die Winterreise von Schubert, die schöne Müllerin oder des Knaben Wunderhorn von Mahler, mit dem er an der berühmten Carnegie Hall in New York debütierte. Aber Quasthoff hatte keine Angst vor Ausflügen in andere Gefilde. Er sang den Fernando in Beethovens Fidelio und den Amfortas in Wagners Parsifal. Und schließlich nahm er 2007 ein viel gelobtes Jazz-Album auf.

Über seine Behinderung spricht er offen. Gefragt, warum er erst als 43-Jähriger die Opernbühne betrat, erklärte er, dass er nicht gewollt habe, dass der Auftritt eines körperbehinderten Sängers von der Klatschpresse aufgebauscht werde – und dass sein Körper Opernauftritten Grenzen setze. Nun sind es wohl die Kehlkopfentzündungen, die ihn schon im letzten Jahr zugesetzt haben, die ihn zum Rückzug veranlassen. Ein Hauch Bitterkeit mag dabei sein. Sagte Quasthoff doch kürzlich dem österreichischen Magazin News: „Außerdem ist mir die Klassik-Branche zu oberflächlich geworden. Man hat den Eindruck, außer David Garrett gäbe es niemanden mehr.“ GRÄ

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