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Der Pakt mit dem Wucherer

MEPHISTO In „Faust“ von Alexander Sokurow wird der deutsche Mythos gehörig gegen den Strich gebürstet. Mephisto ist hier eine Groteske mit Schweineschwänzchen

Stilistisch scheint es eher wie eine der Schauergeschichten aus dem Biedermeier von E.T.A. Hoffmann zu sein

VON WILFRIED HIPPEN

Wie kann man einem die Seele rauben, der nicht mehr an ihre Existenz glaubt? In dieser radikalen Neuinterpretation tut der russische Regisseur Sokurow alles, um dem Werk seine Aura als musealer Klassiker zu nehmen. Ein paar Goethe-Zitaten wie „Habe nun ach...“ oder „kann ohne Geleit nach Hause gehen...“ fallen so beiläufig, dass man sie fast überhört hätte. Auch sonst vermeidet Sokurow jede klassische Klarheit. Seine Bilder und Töne sind verzehrt und vieldeutig und schon von der ersten Szene an wird klar, dass für die Handelnden die Seele kein wertvolles Gut mehr ist, weil die Menschen in der beginnenden Moderne weder ihre Existenz beweisen noch ihr einen Wert bemessen können, sodass sie für sie wertlos geworden ist. Der Pathologe Faust wird da bei einer Autopsie gezeigt und herbei wühlt er im Körper der Leiche herum, doch die Seele ist zwischen den herausquellenden Organen nicht zu finden.

Und so wird auch der Pakt mit dem Teufel als eine Farce inszeniert: Faust beklagt sich über die mangelnde Rechtschreibung und verbessert sie wie ein Diktat. Die Unterschrift mit seinem Blut wird schließlich ein kaum erkennbares Gekritzel. Mephisto ist hier der Wucherer der Stadt. Das halbe Dorf hat als Sicherheit für die Schulden die Seelen verpfändet, aber auch er weiß nicht so recht, was er damit anfangen soll. Er ist auch keine dämonische Gestalt, sondern eine missgebildete Groteske mit einem kleinen Schweineschwänzchen am Hinterteil.

Statt Faust die Allmacht und das Paradies auf Erden zu versprechen, verblüfft er ihn mit ein paar billigen Wundern, die eher wie Zaubertricks wirken. Er trinkt ohne Wirkung eine Flasche mit Schierling aus und lässt eine Mauer Wein bluten. Es geht hier auch nicht mehr um das Bestreben von Faust, eine idealer, allwissender Mensch zu werden. Er ist schon zufrieden, wenn er seine Schulden loswird und die junge Margarete erobern könnte. Unterschwellig vergiftet der Wucherer den wenigen Idealismus, den Faust noch hat, sodass dieser sich am Ende des Films von ihm befreien kann, denn nun ist er der dämonische Antiheld, der in die totalitäre Freiheit des 20. Jahrhundert wandert.

So ist dieser „Faust“ ein konsequenter Abschluss der Tetralogie des Regisseurs über Machthaber, eine Art Prequel zu Sokurows Filmen über Hitler, Lenin und den japanischen Kaiser Hirohito. Stilistisch wirkt der Film eher, als hätte Sukurow eine der Schauergeschichten aus dem Biedermeier von E.T.A. Hoffmann verfilmt. Und er arbeitet zwar zum größten Teil mit deutschen und österreichischen Schauspielern wie Johannes Zeiler in der Titelrolle, Isolda Dychauk als Margarete und Georg Friedrich als der kriecherische Gehilfe von Faust Wagner, doch sein Mephisto wird mit theatralischer Verschlagenheit vom Russen Anton Adassinski gespielt. So gibt es auch Irritationen dadurch, dass der Teufel mit fremder Zunge (sprich einer Synchronstimme) spricht. Bewusst sperrig inszeniert, mit einer eher diffusen Dramaturgie voller Abschweifungen und rätselhafter Begegnungen (so umschwänzelt etwa Hanna Schygulla in der Rolle der „Ehefrau“ des Teufels ihren Gatten), die eher eine (Alp)Traumlogik zu folgen scheint, ist diese auch formal ein grandioser Gegenentwurf zu der klassischen Vorlage.

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