: Surfin’ Altenwerder
KUNST Kann man einen Raum so erleben, wie ein Surfer die Brandung liest und in den Wellen gleitet? Antworten sucht die sechste Hafensafari bis Anfang September mit vier je eigenständigen künstlerischen Interventionen unter der A 7 bei Altenwerder
VON ROBERT MATTHIES
Eine Tätigkeit, fast so alt wie das Lesen und Schreiben. Seit ungefähr 4.000 Jahren reiten Menschen die Wellen der Meere. Und erforschen davor genau die natürlichen Bedingungen der Surfgebiete. Wie steht das Wetter, die Strömung? Was liegt unter dem Wasser? Tiere, Riffe, Felsen? Um einen Strand wirklich beurteilen zu können, braucht es jede Menge Erfahrung. Eigentlich müsste man ihn zu allen Jahreszeiten beobachtet haben, seine Veränderung bei Ebbe und Flut kennen, die Topographie des Meeresbodens. Um all dieses Wissen im richtigen Moment nutzen können.
Aber kann man tatsächlich nur Wellen surfen? Oder auch andere Orte und Räume? Wie würde man den Raum erleben? Was wäre Wind, was Welle, was die Gezeiten? Diese Fragen hat sich die sechste Hafensafari „Surfing A 7“ vorgenommen, die ab heute Nachmittag bis Anfang September mit je eigenständigen künstlerischen Aktionen Antworten sucht. In einem in den letzten Jahren recht stürmischen Gebiet: unter der Autobahn 7 zwischen Moorburg und Waltershof, auf der Höhe des ehemaligen Stadtteils Altenwerder, der dem gleichnamigen Containerterminal weichen musste und von dem heute nur noch die Kirche steht.
Anders als bei den fünf bisherigen Hafensafaris, die sich je einen Teil des Hafens vorgenommen hatten, durch den es geführte Touren und in dem es künstlerische Installationen gab, sollen Führung und Intervention in diesem Jahr zusammen entworfen werden. Und die realen Eingriffe ins Gelände möglichst gering bleiben.
Viermal wird Altenwerder in den kommenden Wochen gesurft. Den Auftakt machen heute und morgen „Expertentouren“, bei denen „radikale Experten“ von Hafenbetriebswirtschaftlern über Feng-Shui-Meister, Brückenbauer, Imker, Stadtplaner, Ökologen, Soziologen bis zu Zeitzeugen aus Altenwerder durch das Surfgebiet führen und es aus ihrer Perspektive erklären. Viele Wahrheiten für einen komplexen Ort. Am zweiten August-Wochenende laden Stefan Funck und Dodo Schielein zum „Wellenreiten“. Die beiden haben aus einem 360°-Panoramafoto aus dem Zentrum des Geländes eine Komposition erarbeitet, indem sie die vorhandenen Strukturen grafisch abstrahiert und in einen kompositorischen Kontext umgedeutet haben. Von der gesamten Partitur sind nur Ausschnitte in Gesamtlänge von 48 Stunden zu hören, Führungen führen durchs Gelände zum Konzertort. Am 22. und 23. August gehen KünstlerInnen verschiedener Disziplinen beim „Raumtest“ gemeinsam auf eine Abenteuerreise, um den Raum unter der A 7 zu „begehen, erforschen, untersuchen, verlegen, besetzen, markieren“. Anfang September kann man dann erleben, wie auf der etwa anderthalb Kilometer langen Strecke eine ungeschnittene Filmfahrt stattfindet, in deren Verlauf mit allen gefilmten und immer wieder in neuen Kontexten auftauchenden Personen ein Porträt des verschwundenen Dorfes entstehen soll. Begleitend wird es schließlich ein „Kunstkarten-Set“ der Hafensafari in Altenwerder geben, in dem acht KünstlerInnen ihre Perspektive auf den Ort in Form von Karten gestalten. Da sind dann hoffentlich die schlimmsten Riffe schon mal verzeichnet. Und die Stellen für die besten Wellen auch.
■ „Expertentouren“ zum Auftakt am Sa, 25. 7. und So, 26. 7., 15 Uhr, 16 Uhr und 17 Uhr, Start am blauen Container am „Truckertreff“ auf dem Autohof Altenwerder Hauptdeich 22; bis So, 6. 9., weitere Infos und Termine: www.hafensafari.de
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