: Die große Seuche vor Gericht
Bundesgerichtshof weist Revision gegen Urteil im Schweinepest-Prozess zurück. Delbrücker Tierarzt soll Schadenersatz an das Land zahlen, weil er die Ausbreitung der Seuche mitverschuldet haben soll
VON MARTIN TEIGELER
Weil sich der Bundesgerichtshof nicht mit Schweinkram beschäftigen will, droht einem Viehdoktor aus Delbrück der Ruin. Karl-Heinz Schmack soll 1,3 Millionen Euro Schadenersatz an das Land NRW zahlen. Der Tierarzt hat die Seuche vor Gericht. Seit Jahren steckt er juristische Niederlagen ein, weil er angeblich mit „groben tierärztlichen Behandlungsfehlern“ dazu beigetragen hat, dass sich vor acht Jahren die Schweinepest ausbreitete (taz berichtete). Eine Beschwerde gegen dieses Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom Dezember 2003 wiesen die Bundesrichter jetzt zurück (Az.: VI ZR 23/04). „Dieser Beschluss ist eine große Enttäuschung“, sagt Schmack. Karlsruhe habe sich kaum mit seinen berechtigten Einwänden in Sachen Schweinepest-Skandal beschäftigt.
Die Schweinepest. Ende 1996 breitete sich die Seuche in westfälischen Gefilden aus. Laut Gerichtsakten nahm die Krankheit ihren Ausgang vom Hof eines Landwirts im Paderborner Land. Der Bauer hatte von einem Entenmäster gelieferte Speiseabfälle in nicht erhitztem Zustand an seine Schweine verfüttert. Die Tiere starben ihm daraufhin weg. Statt die Behörden zu informieren, wurden rund 100 tote Schweine zurück zum Entenmäster transportiert und dort vergraben. Medienberichten zufolge wurden stinkende Kadaver in einem Ententeich versenkt.
Auf einem 50 Meter entfernten Hof erkrankten kurz darauf im Dezember 1996 ebenfalls Tiere. Mehrere Schweine starben. Tierdoktor Karl-Heinz Schmack wurde zu den Stallungen gerufen. Laut Urteilsbegründung des Oberlandesgerichts geschah dann folgendes: „Der Beklagte untersuchte die Tiere und öffnete zur Diagnose zwei Kadaver. Er stellte die Diagnose: Glässersche Krankheit, Mycoplasmenpneumonie sowie Degenerationssyndrom.“ Für ihn habe es sich bei der Epidemie von 1996/97 nur um eine „so genannte“ Schweinepest gehandelt, sagte Schmack später. Die Blutproben aus den Höfen, die er betreute, seien allesamt negativ ausgefallen. Zudem habe er eines der verendeten Schweine frühzeitig zur pathologischen Untersuchung geschickt. Der Arzt warf dem Kreisveterinäramt Fahrlässigkeit vor: Die Seuche sei erst aufgetreten, nachdem Amtsärzte zur Blutentnahme die Höfen bereisten.
Das Land NRW verklagte den Tierarzt, weil er den Ausbruch der Seuche nicht rechtzeitig erkannt habe. Auch soll Schmack mit Besuchen auf anderen Höfen ohne Schutzkleidung zur Ausbreitung der Schweinepest beigetragen haben. 65.000 Schweine mussten wegen der Pest gekeult werden, Landwirte erhielten Entschädigung aus dem Tierseuchentopf. Bis zu sieben Millionen Euro flossen aus Tierseuchenkassen. Der Doktor verlor seine Zulassung und wurde zu der Schadensersatzzahlung verurteilt.
Ein einzelner Mann als Verantwortlicher für den Schweinevirus? Bauern aus dem Kreis Paderborn glauben nicht an eine Alleinschuldthese. Seit Jahren setzt sich ein Solidaritätskomitee für Schmack ein. „Wir haben ein Spendenkonto eingerichtet, mit dem wir den Herrn Doktor bei seinem Rechtsstreit unterstützen“, sagt Landwirt Josef Beringmeier. Hunderte Bauern hätten ihre Solidarität mit dem Arzt gezeigt. Leider habe die Politik nicht reagiert. Gespräche etwa mit dem damaligen Paderborner CDU-Landrat Rudolf Wansleben seien ergebnislos verlaufen. Man werde weiter zu Schmack stehen, so Beringmeier. Prozesskostenhilfe dürfte der Delbrücker gut gebrauchen können. Schmack erwägt den Gang vor das Bundesverfassungsgericht.
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