: „Dann war der Krieg für mich vorbei“
BremerInnen, ehemalige ZwangsarbeiterInnen, Kriegsgefangene und Soldaten gedenken des Einmarsches der britischen Truppen vor 60 Jahren. Bürgermeister Henning Scherf (SPD) kritisiert den „Irrsinn“, die Stadt nicht kampflos zu übergeben
Bremen taz ■ Mit einer Feierstunde im Rathaus hat der Bremer Senat gestern der Befreiung Bremens durch die Alliierten vor 60 Jahren gedacht. Am 27. April 1945 hatten britische Soldaten die Stadt nach tagelangen Kämpfen eingenommen. Neben britischen Soldaten nahmen auch ehemalige Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene aus Frankreich, Polen und der Ukraine an der Feier teil. Der britische Botschafter Sir Peter Torry erinnerte an „das Leiden und die Opfer, die notwendig waren, um die Welt von der Gewaltherrschaft zu befreien“. Die britische Presse forderte er auf, die „außerordentlichen Leistungen, die Deutschland nach dem Krieg vollbracht hat“, mehr zu würdigen. Die heutige Bundesrpublik sei nicht vergleichbar mit Nazi-Deutschland, betonte er: „Wir sind Freunde“.
Bürgermeister Henning Scherf (SPD) kritisierte in seiner Ansprache den „Irrsinn“ der NS-getreuen BremerInnen, die das britische Angebot einer kampflosen Übergabe der Stadt ausschlugen, stattdessen Schulkinder zum „Volkssturm“ abkommandierten und die Felder links und rechts der Ochtum fluteten, um den Vormarsch der alliierten Truppen zu stoppen. Dieser „Wahnsinn“ habe nicht nur viele BremerInnen, sondern auch viele britische Soldaten das Leben gekostet, darüber hinaus seien viele noch intakte Gebäude durch den heftigen Artilleriebeschuss zerstört worden. Die Bremer hätten „nur schrittweise begriffen, dass es eine Befreiung war“, sagte Scherf: „Die britische Armee hat uns befreit vom nationalsozialistischen Terror.“
Der emeritierte Berliner Historiker Reinhard Rürup betonte in seinem Gastvortrag, das NS-System sein „keine Fremdherrschaft“ gewesen. Vielmehr sei die Begeisterung für den Nationalsozialismus selbst in der zweiten Kriegshälfte „ungebrochen“ gewesen. „Die große Mehrheit der Deutschen blieb ihrem Führer treu – bis zum bitteren Ende.“
Rürup warnte vor dem „verzerrten Blick“, das Gedenken im Zuge der 8.-Mai-Feierlichkeiten auf das Kriegsende zu beschränken. Wer nicht die ganze Periode der NS-Herrschaft betrachte, laufe Gefahr, dass „nur die Deutschen als Opfer übrigbleiben“. Armin Simon
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