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Wehren gegen hohe Gaspreise lohnt sich

Bundeskartellamt erzwingt von zwei weiteren Gasversorgern die Korrektur ihrer Tarifpläne. Die Überprüfungen der Behörde haben den Kunden schon einen dreistelligen Millionenbetrag gespart. Und noch sind nicht alle Verfahren abgeschlossen

VON NICK REIMER

Wenn das nicht der Beweis ist: Zwei weitere überregionale Gasversorger müssen ihre Preispolitik korrigieren. Wie das Bundeskartellamt gestern verkündete, werden sowohl die Mitteldeutsche Gasversorgung mit Sitz in Gröbern bei Halle als auch die SWU Energie aus Ulm auf Preiserhöhungen verzichten – und das, obwohl für beide Unternehmen der Einkaufspreis steigt. „Damit wird klar, dass viel Luft bei den Preisen ist und die Erhöhungen vom Herbst unlauter waren“, urteilt Aribert Peters vom Bundesverband der Energieverbraucher. „Das alles zeigt: Wehren lohnt sich.“

Nachdem im Herbst nahezu alle deutschen Gasversorger ihre Tarife angehoben hatten, leitete das Kartellamt im Dezember eine ganze Reihe Prüfverfahren gegen überregionale Gasversorger ein. Konkret prüften die Kartellwächter den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung. Zwei von ihnen, die Eon- Tochter Thüga AG und die EnBW Ostwürttemberg, hatten bereits Anfang April die geplanten Preiserhöhungen ausgesetzt. Das Verfahren gegen die Rhenag Rheinische Energie AG, Siegburg, ruht derzeit, das Verfahren gegen die RWE Westfalen-Weser-Ems AG, Dortmund, ist noch nicht abgeschlossen.

„Die Abstriche der Unternehmen von ihren ursprünglichen Preisplänen führen zu direkt fühlbaren Kostenentlastungen beim Verbraucher“, erklärte gestern Kartellamts-Präsident Ulf Böge. Nach Angaben seiner Mitarbeiter bleiben den deutschen Haushalten nun Kosten in dreistelliger Millionenhöhe erspart. Wichtiger sei jedoch die offenbare Bewusstseinsänderung bei den Verantwortlichen der Gaswirtschaft, so Böge: „Preissteigerungen lassen sich nicht ohne weiteres kraft eigener Marktmacht durchsetzen.“ Die Behörde hat bislang die Preisgestaltung von 110 der rund 740 deutschen Gasversorger überprüft.

Neben der kartellrechtlichen Untersuchung laufen eine ganze Reihe zivilrechtlicher Verfahren: So suchen sich Kunden und Verbraucherzentralen etwa in Hamburg, Bremen oder Köln mit Sammelklagen. Ihre Chancen dürften nun gestiegen sein. Bereits Mitte April hatte das Amtsgericht Heilbronn erstmals eine Gaspreiserhöhung für ungültig erklärt. Urteilsbegründung: Nicht einmal ansatzweise sei der regionale Versorger in der Lage gewesen, die der Erhöhung zugrunde liegende Kalkulation transparent zu machen.

Genau an diesem Punkt will die Böge-Behörde verstärkt ansetzen: Wegen der Kopplung des Gaspreises begründen die Versorger ihre Preiserhöhungen mit steigenden Ölpreisen. Die Verfechter das Systems verweisen auf „Versorgungssicherheit“. Der Kartellamtschef zweifelt hingegen an dem Sinn der Kopplung in einem liberalisierten Markt.

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