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OHNE VISA IN DIE UKRAINE – JETZT MUSS DIE EU SICH BEWEGENKlares Signal an Europa

Die Ukraine hat ihre Ankündigung wahr gemacht: Ab morgen können Bürger der EU und der Schweiz vier Monate lang visafrei einreisen. Diesen Schritt jedoch lediglich als freundliches Entgegenkommen zu werten, um ausländischen Gästen des internationalen Sangeswettbewerbs Grand Prix lästige Formalitäten zu ersparen oder in diesem Sommer den Tourismus zu befördern, greift zu kurz. Vielmehr ist die – wenn auch temporär begrenzte – Öffnung des Landes nach außen ein klares Signal an Europa und damit nur die logische Konsequenz der erfolgreichen orangenen Revolution vom vergangenen Herbst.

Der Adressat der Botschaft, Brüssel, dürfte diesem neuerlichen Vorstoß aus Kiew wohl eher mit Zurückhaltung begegnen. Das passt ins Bild. Denn es zeigt sich immer mehr, dass die EU derzeit nicht willens ist, sich der Ukraine gegenüber klar zu positionieren. Und so ist denn auch die so genannte Nachbarschaftspolitik in erster Linie ein Instrument, das darauf angelegt ist, eine EU-Mitgliedschaft zu verhindern, anstatt dem Land langfristig eine wirkliche Beitrittsperspektive zu eröffnen.

Wenn jedoch die Ukraine – aller Reformbemühungen zum Trotz – keine Chance hat, jemals das begehrte EU-Ticket zu lösen, dann sollte Brüssel auch den Mut haben, dies klar und deutlich auszusprechen. Stattdessen zeichnet sich leider wieder ein Szenario ab, das, wie im Fall der Türkei, bereits sattsam bekannt ist: Trostpflästerchen verteilen, Aktionspläne ausarbeiten – und ansonsten warten in der Endlosschleife.

Eins steht fest: Kiew wird sich auf Dauer nicht so billig abspeisen lassen und weiter an die Türen in Brüssel klopfen. Und das zu Recht. Denn die neuen Machthaber und die Bevölkerung der Ukraine können nicht verstehen, warum nicht auch sie zu Europa gehören sollen. Diesem Problem wird sich Brüssel bald stellen müssen. Zum einen mit der Entwicklung neuer Instrumentarien, die jenseits einer EU-Mitgliedschaft liegen, über die derzeitigen Ansätze aber hinausgehen. Zum anderen mit der Klärung der Frage, wo Europa endet. Diese Antwort hat Kiew verdient. BARBARA OERTEL

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