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fußpflege unter der grasnarbeEinstürzende Kassenhäuschen

Die Arbeit und die so genannte Freizeit zu trennen, ist frei schaffenden Kreativlingen ohnehin kaum möglich, aber manches soll dann doch privat bleiben. Über meine Vorliebe für Altona 93 schreibe ich deshalb selten. Dummerweise kursieren in den einschlägigen Tiefen des virtuellen Raumes derzeit Gerüchte über das Ende der Adolf-Jäger-Kampfbahn, was insofern von Belang ist, als die 1921 errichtete Spielstätte mit der Identität des Klubs ungefähr so eng verbunden ist wie die des FC St. Pauli mit dem Millerntorstadion. Das Fanvolk ist irritiert, und also ertönte von dort der Ruf: „Mach mal, Du bist doch Journalist.“

Na gut, dachte ich, weckte den Seymour Hersh in mir – der alte Schweinereien-Enthüller aus den USA hält übrigens am Himmelfahrtstag einen Vortrag an der Uni Hamburg, zum Glück morgens, denn um 14 Uhr spielt Altona gegen Lübeck II – und machte mich auf zum Armaturen-Mogul Dirk Barthel, seit einer gefühlten Ewigkeit Hauptsponsor des Oberligisten und seit ein paar Jahren auch Präsident.

Meister Barthel kennt weder die taz noch die Gerüchte, aber als sie ihm zu Ohren kommen, ist er doch leicht perplex – und entscheidet sich für eine kontrollierte Offensive. Wer befürchtet hat, der Klub wolle sein 22.000 Quadratmeter umfassendes Stadionareal verkaufen, kann wieder ein bisschen ruhiger schlafen. Los werden will der AFC nur „2.000 bis 3.000 Quadratmeter“ an der Eingangsseite – damit Bauunternehmer dort Wohnungen errichten können. Mit dem Verkaufserlös wolle der Verein das Stadion „komplett sanieren“, sagt Barthel. „Das Tribünendach ist gefährlich, der Umkleidebereich in einem miserablen Zustand, die Kassenhäuschen brechen zusammen, und Geschäftsstelle und Vereinskneipe sind seit einem dreiviertel Jahr ohne Heizung. Und immer nur flicken geht auf die Dauer nicht, wenn die Substanz fehlt.“

Der Hügel hinter dem Tor zum Haupteingang, Stammplatz für eine Horde biederer Bürger, die von der gleichgeschlechtlichen Liebe so viel halten wie der Papa Ratzi, würde verschwinden, also auch die berühmten Pappeln. Alles hängt davon ab, wie das Bezirksamt Altona über den Bauvorbescheidsantrag des AFC entscheidet. Im Laufe des Juni rechnet der Verein mit einer Antwort, dann will man beginnen, Kaufinteressenten zu suchen.

Während in dieser Causa noch vieles unklar ist, ist die im Internet bereits kursierende Idee, mit dem Nachbarn Union 03 zu fusionieren – jenem Klub, bei dem Adolf Jäger und Ivan Klasnic das Balltreten erlernt haben – weit fortgeschritten. „Das ist von Union ausgegangen. In Bereichen, in denen die schwach sind, sind wir stark und umgekehrt“, sagt Barthel. Ein Umzug ins Union-Stadion sei indes total abwegig. Und einen neuen Platz nahe der Autobahnabfahrt Othmarschen will Barthel auch nicht bauen – wenngleich „die Stadt das gern sehen würde“, wie er zugibt. „Die Adolf-Jäger-Kampfbahn wird immer unsere Spielstätte bleiben“, verspricht der Boss. Nur: Was passiert, wenn die Stadt nicht mitspielt, oder wenn sich ein derart kleiner Teil des Stadions gar nicht verkaufen lässt? Darum soll sich Seymour kümmern, denn ich bin ja eigentlich nur der Fuzzy für Feuilleton und Fernsehen.

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