: Italien ist kein Einzelfall
REFOULEMENT Viele EU-Staaten schieben zurück
Der Schritt auf europäischen Boden ist juristisch von großer Bedeutung: Wer einen Staat betritt, der die Genfer Flüchtlingskonvention unterschrieben hat, dessen Asylantrag muss geprüft werden. Ein Verstoß gegen diese Bestimmung wird „Refoulement“ genannt. Das nun verurteilte Italien ist nicht der einzige Schengen-Staat, der versucht, die Rechte von Flüchtlingen zu unterlaufen, indem es sie von seinem Territorium fernhält.
Vor den Kanarischen Inseln etwa, in Westafrika, ist die spanische Guardia Civil aktiv. Nacht für Nacht laufen Schiffe der spanischen Marineschiffe aus dem Hafen von Dakar im Senegal aus. Gemeinsam mit der senegalesischen Küstenwache suchen sie nach Papierlosen, die versuchen, die Kanaren zu erreichen.
Ihren Ursprung hat diese Zusammenarbeit in der Operation „Hera“ der EU-Grenzschutzagentur Frontex. 2006 begann Frontex, in den westafrikanischen Gewässern zu patrouillieren.
Die EU finanzierte damals auch den Bau eines Internierungslagers in der mauretanischen Hafenstadt Nouadhibou. Dort konnte die Guardia Civil Afrikaner abgeben, die sie vor den Kanaren aufgegriffen hatte. Mauretanien besorgte die Abschiebung in ihre Heimat, einen Asylantrag konnten die Flüchtlinge dadurch oft nicht stellen.
Auch Griechenland hat in der Ägäis Bootsflüchtlinge in die Türkei zurückgeschoben. Menschenrechtsorganisationen wie Pro Asyl haben Berichte von Flüchtlingen gesammelt, wie dies vonstattenging: Teils mit Schlägen oder dem Diebstahl von Paddeln sollen die Papierlosen von der griechischen Küstenwache aufgehalten worden sein.
Heute kommen die meisten Flüchtlinge deshalb nicht mehr mit dem Boot, sondern auf dem Landweg nach Griechenland. Der Regierung in Athen gelang es, die Türkei zur Zusammenarbeit in Sachen Grenzsicherung zu bewegen. Nun versuchen die Frontex-Grenzschützer an der türkisch-griechischen Landgrenze die „Papierlosen“ schon auf der türkischen Seite zu entdecken. Dann alarmieren sie ihre türkischen Kollegen, die „Papierlosen“ festzunehmen – möglichst bevor sie Griechenland betreten.
CHRISTIAN JAKOB
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen