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Über die Grenze getrieben

In der Dominikanischen Republik gehen Behörden und Bevölkerung brutal gegen Einwanderer aus Haiti vor. Den Anlass bot ein Mord – der Grund ist Rassismus

SANTO DOMINGO taz ■ Am vermeintlichen Anfang stand ein Mord. Am 9. Mai überfielen in der dominikanischen Ortschaft Hatillo de Palma nach Zeugenaussagen haitianische Illegale eine Ehepaar in seinem Haus, um es auszurauben. Die Täter ermordeten die 31 Jahre alte Maritza Núñez mit Machetenhieben. Der Ehemann, Domingo Antonio Luna, 30 Jahre alt, überlebte die Angriffe mit schweren Schnittwunden am Kopf. Wenige Minuten nach dem Mord regierte der Mob die Straßen des Ortes, in dem viele haitianische Saisonarbeiter und natürlich auch illegale Einwanderer leben.

Mit Knüppeln und Macheten bewaffnete Nachbarn zogen zu den Unterkünften der Erntearbeiter, demolierten Häuser und Einrichtungsgegenstände. „Wir werden den Mord an Maritza rächen“, drohte die ältere Schwester der ermordeten Geschäftsfrau, „das wird nicht ohne Antwort bleiben.“

„Wir wollen keine Haitianer. Wenn es sein muss, dann lynchen wir sie“, schrie Nelson Rodríquez, ein Nachbar des Ehepaares, während er gemeinsam mit anderen Bewohnern des Ortes die Elendsbehausungen der „Haitianos“ angriff.

Seit dem Mord macht die dominikanische Einwanderungsbehörde Jagd auf Personen, die aus der Nachbarrepublik Haiti stammen und vermeintlich an ihrer dunkleren Hautfarbe zu erkennen sind. An Straßensperren in der Grenzregion, in der an normalen Tagen ein reger Handelsverkehr zwischen den beiden Republiken herrscht, die sich die Karibikinsel teilen, werden „Papierlose“ – und die dafür gehalten werden – festgenommen und in Viehtransportern und Lastwagen an die Grenze gefahren und abgeschoben.

Verantwortliche des dominikanischen Militärs sprechen von einer „Schutzmaßnahme“ für haitianische Staatsbürger, die sich widerrechtlich auf dominikanischem Staatsgebiet aufhalten. „Die Mehrheit hat das Land freiwillig verlassen“, erklärte der Kommandant der in der Region stationierten Vierten Brigade, General Pedro Cáceres Chestaro, in der dominikanischen Tageszeitung El Caribe.

Der Koordinator der „Grenzsolidarität für Flüchtlinge“ des Jesuitenordens in der Dominikanischen Republik, Pater Regino Martínez, spricht von Rassismus. Die Einwanderungsbehörde benutze die Pogromstimmung und Gelegenheit, um „papierlose“ Einwanderer zu vertreiben. Mehr als 2.000 Personen seien bisher in einem provisorischen Auffanglager in dem haitianischen Grenzort Ouanaminthe registriert worden. „Wer schwarz ist, wird festgenommen und abgeschoben.“ Die Einwanderungsbeamten interessiere nicht, ob jemand gültige Aufenthaltspapiere, eine Saisonarbeitserlaubnis oder sogar als im Land geborener Nachkomme von Haitianern die dominikanische Staatsbürgerschaft habe, empört sich der Jesuitenpater.

Jugendliche seien auf dem Weg zur Schule verschleppt und über die Grenze getrieben worden. Als die haitianische Grenze vorübergehend geschlossen worden sei, habe man die Festgenommenen gezwungen, durch den Grenzfluss nach Haiti zu waten. Mitglieder der Dirección General de Migración hätten Ausweise und Aufenthaltsgenehmigungen mutwillig zerstört, um die Festgenommenen wegen „illegalen Aufenthaltes“ abschieben zu können.

Rund eine Million „Haitianos“, wie sie oft despektierlich genannt werden, leben zum Teil schon seit Generationen im östlichen Teil der Insel Hispaniola. Ihre billige Arbeitskraft ist in etlichen Branchen gefragt.

HANS-ULRICH DILLMANN

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