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Gericht: Kein Rassismus

JUSTIZ Mitarbeiter des Flüchtlingsrats wurden wegen „übler Nachrede“ zu Geldstrafe verurteilt

Zwei Mitarbeiter des Flüchtlingsrats Brandenburg wurden am gestrigen Montag vom Amtsgericht Potsdam zu einer Geldstrafe wegen übler Nachrede verurteilt. Sie hatten im März 2010 den jährlich vom Flüchtlingsrat verliehenen Negativpreis „Denkzettel für strukturellen und systemimmanenten Rassismus“ an eine Mitarbeiterin der Stadtverwaltung aus Brandenburg an der Havel verliehen. Der Vorwurf an die Frau: diskriminierendes Verhalten gegenüber einem gehörlosen Flüchtling aus Sierra Leone. Das Amt soll dem Afrikaner unterstellt haben, seine Gehörlosigkeit nur vorgetäuscht zu haben. Diese, so der Flüchtlingsrat, seit allerdings ärztlich festgestellt gewesen. Ein Gericht hat dem Mann inzwischen eine Aufenthaltserlaubnis zugesprochen.

„Denkzettel“ seit 1996

Der Flüchtlingsrat verleiht den „Denkzettel“ seit 1996. Prominenteste „Preisträgerinnen“ waren bisher die ehemalige Sozialministerin Regine Hildebrandt (SPD) für ihre Zustimmung zum Asylbewerberleistungsgesetz im Bundesrat sowie Werner Ruppert vom Amtsgericht Eisenhüttenstadt – vom Flüchtlingsrat „der Schnellrichter von Eisenhüttenstadt“ genannt.

Bisher nur eine Klage

Eine Klage hatte es bisher nur einmal gegeben: Im Jahr 2004 wollte sich ein Mitarbeiter des Landratsamts Elbe-Elster juristisch gegen den Negativpreis zur Wehr setzen. Damals wurden die Verantwortlichen des Flüchtlingsrats aber freigesprochen, weil der Preis durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt gewesen sei. Die beiden gestern verurteilten Mitarbeiter des Flüchtlingsrats Harald G. und Julia H. wollen, so eine Flüchtlingsratssprecherin, die Verurteilung nicht hinnehmen. „Nach Prüfung des Urteils werden sie auf jeden Fall Rechtsmittel einlegen.“ Marina Mai

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