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Museum auf einem anderen Planeten

Zwischen Traumrealität und Wissenschaft des Unbekannten: Simon Hehemanns große Installation „Spacewalks“ lädt in Hamburg zur Reise durch ein fremdartiges Universum

Alles in Bewegung: Überall rattert, blinkt und rieselt es im pflanzen- und spiegel­besetzten „Glasraum“ Foto: Simon Hehemann

Von Hajo Schiff

So sehen gute Museen aus – aber nicht auf diesem Planeten. Die raumfüllende Groß­installation von Simon Hehemann im Hamburger Kunstraum The Space versetzt in andere Welten. Allerdings um den Preis, dass manches in den vier labyrinthisch verbundenen Räumen sich schwer erschließt und eine starke Anschauungskraft erfordert. Das raumfüllende Gebilde aus Lochplatten, in denen Hehemann diese Räume gebaut hat, ist für sich schon eine plastische Form. Doch erst sein durch verwinkelte Gänge zu begehendes Inneres offenbart die Wunder dieses fremdartigen Künstler­universums.

Drei Wochen dauerte der Aufbau des Gängesystems und seiner ganz unterschiedlichen Ausstellungsräume, teils sieben Helfer waren mit dabei, bis die Installation in den für Kunst zwischengenutzten Räumen im innerstädtischen Springer-Quartier fertig war. Und da der Hamburger Künstler die Arbeit „Spacewalks“ genannt hat, ist das Außerirdische auch keine willkürliche Assoziation.

Die omnipräsenten Lochplatten geben ein erstes grundlegendes Ordnungsraster. Doch da diese entgegen allem Anschein keine Industrieware sind, sondern selbst gebohrt, bleibt die Reihung ein wenig im Ungefähren – ein Zustand, der Simon Hehemann sowieso am liebsten ist.

Das Holzmaterial stammt übrigens aus der Hamburger Kunsthalle, ein Überbleibsel der Caspar-David-Friedrich-Ausstellung ebenso wie einige auserlesene Staubknäuel, die hier als filigrane Wolken präsentiert werden. Seltsamerweise höchst ähnlich ist diesen mancher Schatten der angestrahlten fein verästelten Farne, die sich im pflanzen- und spiegelbesetzten „Glasraum“ befinden, einem „Blumenladen voller Tragödien“.

Überhaupt spielt das Licht eine große Rolle, direkt und indirekt, von alten Karussell­diaprojektoren auf- und abblendend oder sternengleich durch die vielen Löcher blitzend und von kleinen Kügelchen reflektiert. Und was das Licht nicht dynamisiert, wird mit Seilzügen in Bewegung gebracht: Ein Stift schrapelt unermüdlich an einer Bodenzeichnung und über der Decke, durch Leiter und Guckloch zugänglich, fährt sogar als Jugendreminiszenz eine Modelleisenbahn.

„Fütter das Für und Wider mit Mohn“ lautet der Titel eines kleinen Bildkastens, ein anderer nahezu schwarzer Bildraum verkündet, „Sämtliche Schaltpläne“ zu enthalten. Es ist diese Ambivalenz von Traumrealität und einer präzisen Wissenschaft des Unbekannten, die durch die Schaukästen und Modellaufbauten führt.

Immer wieder scheint es um Anschauungsmodelle einer unentdeckten Physik zu gehen. Feinste Drähte, Fäden und Zeichnungen demonstrieren erst noch zu denkende Zusammenhänge, in denen das Gegenteil des Vorgestellten genauso richtig ist. Und die Planetenmodelle in den weißen Präsentationskästen sind aus zu Kugeln geknüllten alten Zeichnungen. Es ist ein Universum aus geheimen Vorstellungen, nicht unähnlich dem Planeten Solaris, der beim Autor Stanislaw Lem und im Film von Tarkowski hauptsächlich aus einem Gedankenozean besteht.

Ein Universum aus geheimen Vorstellungen, nicht unähnlich dem Gedankenozean des Planeten Solaris

In einem der Räume, „Mohnraum“ genannt, ist im Halbdunkel ein Plateau aufgebaut, ein großes Übersichtsmodell einer von seltsamen Objekten überflogenen Landschaft mit Bunkerbauten aus Beton und automatischen Harken, die so etwas wie einen Zen-Garten in die graue, aus Unmengen von Mohnsamen bestehende Erde zeichnen. Zwischen möglicher Meditation und unterschwelliger Aggression ist dies statt einer Traumstätte eher ein karger Mond-Raum, ein verlassener Ort ferner Zeiten, eher Dystopie als verheißungsvolle Science-Fiction.

Diese Kunst kann nicht für irgendwelche Zwecke in Dienst genommen werden, sie ist auch nicht eine Aktualisierung lernbarerer und bekannter Techniken und Themen der Kunstgeschichte, sie ist ganz konsequent nur bei sich selbst. Und genau damit öffnet sie sich allen herangetragenen Ideen und Träumen. Sich dieser Erfahrung auszusetzen, ist unbedingt empfehlenswert, als Vorgeschmack für Kommendes und das sogar schon auf diesem Planeten.

Simon Hehemann: „Spacewalks“: bis 15. 12., The Space (Halle II), Fuhlentwiete 3, Hamburg; Di–So 12–18.30 Uhr, Eintritt frei; bis 15. 12.; feinkunst-krueger.de, simonhehemann.de

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