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Pflegehelfer sollen abgeschoben werdenWichtig aber nicht gewollt

Ein Heim für Demenzkranke bei Bremen fürchtet, schließen zu müssen. Ein Drittel der Pflegekräfte kommt aus Kolumbien und soll abgeschoben werden.

Ohne Pflegehelfer kaum denkbar: Oktoberfest im Heim für schwerst demente Menschen in Wilstedt Foto: Haus Wilstedt/Facebook

Hamburg taz | Weil zehn Pflegehelfer aus Kolumbien abgeschoben werden sollen, droht einem Pflegeheim in Wilstedt bei Bremen die Schließung. Auf diese Gefahr haben die Angehörigen und die Belegschaft jetzt in einen offenen Brief an eine Reihe von Politikern hingewiesen – vom Bürgermeister bis zum Bundesminister.

Die Pflegehelfer seien bestens integriert und würden dringend gebraucht, heißt es in dem Brief. „Wir fordern mit allem Nachdruck, dass die Abschiebung ausgesetzt wird.“

In dem Pflegeheim werden nach Angaben der Heimleitung „48 schwerst demenzkranke Menschen“ betreut. Würde das Heim geschlossen, verlören die Kranken ihr letztes Zuhause, ­schreiben die Angehörigen und die Belegschaft. Weil Heime für schwerst Demenzkranke rar seien, würden sie weit verteilt und die Angehörigen müssten weite Wege zurücklegen.

Ganz abgesehen davon sei jede gravierende Änderung im Leben eines Demenzkranken problematisch. Möglicherweise müssten sie in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen werden, um Verhaltensauffälligkeiten medikamentös zu regulieren. „Da gehören sie nicht nur nicht hin“, heißt es in dem Brief. „Sie nehmen auch Menschen Plätze weg, die diese in der Psychiatrie benötigen.“

Es ist absolut unverständlich, warum Menschen, die so gut integriert sind, die Steuern zahlen und das Sozialsystem stützen, abgeschoben werden sollen

Tino Wohlmacher, Heimbetreiber

Heimleiter Tino Wohlmacher weist darauf hin, dass er größte Schwierigkeiten habe, Pflegehelfer zu finden. „Ich habe meine Stellengesuche seit Jahren überall stehen“, sagt er. „Die übers Mittelmeer kommen, bewerben sich nicht.“ Seine zehn Pflegekräfte hätten Wohnungen, sie engagierten sich in ihrem Job und in Vereinen, ihre Kinder gingen zur Schule. „Es ist absolut unverständlich, warum Menschen, die so gut integriert sind, die Steuern zahlen und das Sozialsystem stützen, abgeschoben werden sollen“, sagt Wohlmacher.

Nach Zahlen der Bundesagentur für Arbeit gibt es allerdings ein großes Missverhältnis zwischen Stellenangebot und -nachfrage bei Pflegefachkräften und Pflegehelfern. 2023 suchten 38.000 Menschen eine Stelle als Pflegehelfer. Dem standen aber nur 10.000 offene Stellen gegenüber. Bei den Pflegefachkräften war es genau andersherum: 25.000 offenen Stellen standen nur 11.000 Bewerber gegenüber.

„Niedersachsen ist grundsätzlich sehr daran interessiert, ausländische Fachkräfte aufzunehmen, wenn sie auf legalem Wege nach Deutschland kommen“, teilte ein Sprecher des Innenministeriums mit. Ministerin Daniela Behrens (SPD) habe sich auf Bundesebene dafür stark gemacht, einen Spurwechsel zu ermöglichen: Fachkräfte, deren Asylgesuch abgelehnt wurde, sollten in ein anderes Einwanderungsverfahren wechseln können. Leider habe das der Bundesgesetzgeber „nicht vollumfänglich aufgegriffen“. Wer davon profitieren will, muss seinen Asylantrag vor dem 29. März gestellt haben.

Wohlmachers Leute sind aber keine Fachkräfte. Die Anerkennungsquote für Asylsuchende aus Kolumbien liegt bei unter einem Prozent. Sie können allenfalls beantragen, als Härtefall eingestuft zu werden, oder, worauf der niedersächsische Flüchtlingsrat hinweist, versuchen, eine Ausbildung aufzunehmen, mit der sie möglicherweise ebenfalls bleiben könnten.

Das BAMF berücksichtigt Integrationsleistungen nicht

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge begrüßt es gegenüber der taz, „wenn sich Menschen in Deutschland integrieren, die Sprache lernen und sogar eine Tätigkeit aufnehmen“. Im Asylverfahren prüfe es jedoch ausschließlich, „ob und welche Gefahr dem Asylsuchenden bei Rückkehr in sein Herkunftsland droht“. Integrationsleistungen könne und dürfe es nicht berücksichtigen.

Wohlmacher sieht durchaus triftige Gründe, die einer Abschiebung seiner Mitarbeiter entgegenstehen: Der 20-jährige Diego Arenas aus Ocaña und seine Mutter seien geflohen, weil die Guerillaorganisation ELN versucht habe, ihn zu ­rekrutieren. Eine Woche nach der Ausreise sei sein Vater erschossen worden. Und die Familie der 25-jährigen Valentina Tascón werde in Kolumbien durch Schutzgeldforderungen an Leib und Leben bedroht.

Auch dass einer seiner Mitarbeiter nächstes Jahr im August eine Ausbildung beginnen wolle, habe ihn nicht vor einer Aufforderung zur freiwilligen Ausreise bewahrt, die einer Abschiebung vorausgeht.

Alle zehn betroffenen Mitarbeiter Wohlmachers haben solche Aufforderungen erhalten. Mit dem Fristende am Donnerstag drohe noch nicht direkt die Abschiebung, teilt das Innenministerium mit. Die Landesaufnahmebehörde habe „in dieser Woche keine Abschiebungen nach Kolumbien geplant“. Dazu kommt, dass die Mitarbeiter gegen ihre Bescheide geklagt haben. Eine Familie habe ihren Fall der Härtefallkommission vorgelegt, sagt Wohlmacher.

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