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Podcast über AlbanienEuropas letzter Mauerfall

Der Podcast „Die Botschaft“ erzählt die Geschichte eines Systembruchs, die in Deutschland kaum wer kennt. Es geht um eine deutsche Mauer in Albanien.

Sonderzug nach Deutschland mit albanischen Geflüchteten Foto: Jochen Eckel/imago

Es ist Sommer 1990 und der Sozialismus zerfällt. Der Fall des Eisernen Vorhangs oder der Berliner Mauer sind ins kollektive Gedächtnis eingebrannt. Doch im Süden Europas herrscht die letzte stalinistische Diktatur Europas. Bis Juli 1990 bleibt das Land im Westbalkan isoliert. An der Macht ist seit Ende des Zweiten Weltkrieges dieselbe Partei. Die Menschen sind abgeschottet von der Außenwelt.

Dann erreicht die Fußball-WM das Land. Dank leichter Lockerungen dürfen die Bür­ge­r:in­nen sie im Fernsehen verfolgen. Die Stimmen der Kommentatoren schallen durch die Hauptstadt Tirana. So beginnt der Deutschlandfunk-Podcast, den die österreichische Journalistin Franziska Tschinderle und die deutsche Journalistin Anja Troelenberg recherchierten. Wer an die letzte Mauer Europas denkt, wird bis heute kaum Albanien im Kopf haben. Es geht um eine deutsche Mauer, die vieles veränderte.

In den fünf Folgen reisen Hörerinnen in den historischen Sommer, in dem Albanien sich vom Sozialismus befreite. Ein Loch in der Mauer der deutschen Botschaft, ein LKW und 3.000 Geflüchtete – das führte zum Riss im System. Der Politthriller erzählt die Wendegeschichte vom Balkanstaat anhand vieler persönlicher Schicksale.

Wie in einem Kammerspiel liegt der Fokus dabei auf der besetzten deutschen Botschaft in Tirana. 3.200 Quadratmeter, die zum Tatort des Widerstands werden. Nach einem Massenansturm auf die Botschaft kampieren tausende unter prekären Bedingungen zehn Tage vor Ort. Sie hungern, ein Teenager wird im Garten von der Grenzpolizei erschossen und ein Baby wird geboren.

Viele Perspektiven mit Liebe zum Detail

Damit ist der Podcast viel mehr als ein Nachzeichnen trockener albanischer Geschichte. Es geht um mutige Entscheidungen von Zivilisten und Diplomaten, die sich gegen ein Regime stellen. Da ist der LKW-Fahrer, der erzählt, warum er damals in die Mauer der Botschaft raste, und der deutsche Diplomat, der realisierte, dass er das Regime stürzen könnte. Der politische Druck führt schließlich dazu, dass die rund 3.000 Geflüchteten aus Albanien nach Deutschland gebracht werden. Ein Jahr später wird die demokratische Republik Albanien ausgerufen.

Alle Ereignisse werden von einer Prise Fußballfieber begleitet. Die westdeutsche Mannschaft wird Fußballweltmeister. An vielen Stellen hätte der Podcast auch ohne die Töne des Fußballkommentators funktioniert, die dem Politdrama eher die Spannung nehmen. Es ist zudem Geschmacksfrage, ob man die Stürzung eines Regimes mit Fußball-Analogien für passend hält. Die Rede von Torchancen und taktischer Disziplin wirkt deplatziert.

Lobenswert ist die aufwendige Audioproduktion, die an ein lebendiges Hörspiel erinnert. Die Journalistinnen verbinden die vielen Perspektiven mit Liebe zum Detail. Etwa forschen sie am Ende noch nach, was aus dem in der Botschaft geborenen Baby geworden ist.

Im Gesamtbild stockt allerdings häufiger das Storytelling. Einschübe wie „Könnt ihr noch folgen?“ oder „Diesen Namen müsst ihr euch nicht merken“ verstärken den Eindruck. Den Spannungsbogen zu halten ist eine Herausforderung vieler historischer Podcasts, die hier nicht vollständig gemeistert wurde. Eine Kürzung auf drei Episoden hätte dem Drive des Plots gutgetan.

Final überwiegt die Begeisterung darüber, eine Wissenslücke über den letzten Mauerfall in Europa zu schließen. Hoffentlich gehören die Geschichten über Mauern in Europa weiterhin größtenteils der Vergangenheit an.

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3 Kommentare

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  • Ich habe den Podcast gehört und kann ihn nur empfehlen.

    Völlig uneingeschränkt.

    Die Fußballweltmeisterschaft muss darin vorkommen, weil sie durchaus eine Rolle spielt. Es bleibt aber ein Randmotiv.

    Die beiden Autorinnen nutzen es als Gegenpol, um aufzuzeigen, was zu dem Zeitpunkt im Fokus der Öffentlichkeit steht.

    Das Thema wird nicht zu sehr ausgereizt. Spätestens nach der Hälfte ist es verschwunden.

    Ein Stocken des Storytellings habe ich nicht bemerkt.



    Beide genannte Bemerkungen haben ihren Sinn.

    Die Stärke des Podcasts ist gerade , dass nicht nur die Ereignisse, sondern auch die Protagonisten sehr persönlich rübergebracht werden.

    Den Spannungsbogen fand ich top.

    Mehr als die Hälfte der letzten Folge ist dem weiteren Werdegang der Protagonisten gewidmet. Selbst dem Schaf.

    Wäre der Plot auf drei Folgen reduziert, hätte der Podcast aus meiner Sicht verloren.

    Die Sprecherin hörte sich an wie die Sprecherin des Podcast zu Oury Jallohs Tod.



    Der hatte auch fünf Folgen und war vom Stil her ähnlich (gut).

    Man hört keinen Podcast, der Wissen vermitteln will.

    Das Wissen bleibt einfach hängen wegen dem guten Storytelling.

  • Aber es gibt sie doch noch oder schon wieder die Mauern in Europa - In Polen an der Grenze zu Belarus, in Ungarn, In Nordirland, in den zu Spanien gehörenden Gegenden in Nordafrika.



    Die Mauern werden eher mehr denn weniger

    • @Ramelow Cathrin:

      Die Mauern jetzt sind nicht dazu da, die eigenen Leute einzusperren.

      Sind damit deutlich andere Mauern.