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Wie der Nahe Osten auf die USA blicktFür Trump oder Harris braucht es einen größeren Schuh

Der irakische Journalist Muntazer al-Zaidi warf 2008 seinen Schuh auf den damaligen US-Präsidenten George W. Bush. Zu den US-Wahlen hat er eine klare Meinung.

Diesmal mit festem Schuhwerk: Al-Zaidi in seinem Wohnzimmer in der irakischen Hauptstadt Bagdad Foto: Alaa Al-Marjani/reuters

Beirut taz | Diesmal kommt Muntazer al-Zaidi mit fest geschnürten blau-weißen Sneakern ins Café in der Nähe der südlichen Vorstadt von Beirut, um über die bevorstehenden US-Wahlen zu sprechen. Anders als am Dezember 2008, als er bei einer Pressekonferenz mit dem damaligen US-Präsidenten George W. Bush in Bagdad seine zerschlissensten Mokassins trug. Damals ging die Szene um die Welt, als der junge irakische Journalist dem mächtigsten Mann der Welt sein Schuhwerk entgegenschleuderte, begleitet von den Worten: „Das ist ein Abschiedskuss, du Hund. Dies ist von den Witwen, Waisen und allen, die im Irak getötet worden sind.“

Bush druckte sich damals gekonnt weg, und witzelte anschließend, dass das wohl Schuhgröße 10 gewesen sei. Doch der legendäre Schuhwurf gab dem jungen Iraker in der arabischen Welt Kultstatus. Bei Demonstrationen gegen die US-Besatzung des Irak hielten auch die Menschen in Kairo Schuhe in die Luft. Sogar ein Bronze-Schuhdenkmal wurde ihm im Irak errichtet. Schuhwurf-Computerspiele wurden konzipiert und erfreuten sich vor allem in der arabischen Welt großer Beliebtheit. Der türkische Schuhhersteller der geworfenen Mokassins konnte sich vor neuen Aufträgen kaum retten.

Heute, fast 16 Jahre später, sitzt der fast 45-jährige al-Zaidi an einem Cafétisch in Beirut, wo er zwischenzeitlich neben seinem Hauptwohnsitz in Bagdad lebt, und zündet sich eine Zigarette nach der anderen an. Sein legendärer Wurf sei eine Botschaft gewesen, sagt er. „Die Besatzer haben Milliarden ausgegeben, um damals das Image zu verbreiten, dass die Iraker über die US-Invasion glücklich seien. Glücklich, mit der Freiheit, die sie uns gestiftet haben. Das war eine Lüge“, blickt er zurück und beginnt zu lächeln: „Aber dann gab es diesen kurzen Moment, wo ein kleiner, junger irakischer Journalist, dieses Image in nur zehn Sekunden zerstört hat“, fasst er den kurzen Augenblick zusammen, in dem er berühmt wurde.

Für Demokraten oder Republikaner zu stimmen ist wie meine Wahl im Gefängnis: gebrochene Knochen oder Elektroschocks

Muntazer al-Zaidi

Sie sagten, die US-Soldaten seien im Irak zur Begrüßung mit Blumen beworfen worden – also, sagt er, habe er Schuhe geworfen, in seiner Kultur ein Symbol der Entwürdigung. Er habe sich damals extra alte, zerschlissene angezogen, erinnert er sich. Innerhalb von Sekunden hatten ihn die irakischen Sicherheitsleute auf der Pressekonferenz niedergerungen. Al-Zaidi wurde verhaftet, gefoltert und verbrachte am Ende weniger als ein Jahr im Gefängnis.

Zu den US-Wahlen und den Präsidentschaftskandidaten Kamala Harris oder Donald Trump und deren Nahostpolitik hat er eine ziemlich eindeutige Meinung: „Diese Wahlen und die Option, entweder für die Demokraten oder die Republikaner zu stimmen, das erinnert mich an meine Zeit in der Gefangenschaft im Irak“, beginnt er. „Sie fragten mich, willst du heute mit einem Knüppel geschlagen oder mit einem Elektrokabel gefoltert werden. Ich hatte also die Wahl zwischen gebrochenen Knochen oder der Folter mit Elektroschocks.“

Der Moment, der ihn berühmt machte: Al-Zaidi wirft seinen Schuh auf den damaligen Präsidenten George W. Bush Foto: Evan Vucci/ap

Was die Position von Harris oder Trump gegenüber dem Krieg im Gazastreifen und im Libanon angeht, sind beide für ihn. Das ist für viele Araber wie die Wahl zwischen Pest und Cholera. Harris steht für die Fortsetzung der Politik Joe Bidens und eine US-Regierung, die die israelische Offensive im Gazastreifen mit Waffenlieferungen im Wert von 19,9 Milliarden Dollar befeuert. In Trumps Amtszeit wurde die US-Botschaft nach Jerusalem verlegt und die israelische Annexion der Golanhöhen von Washington anerkannt, während Trumps Schwiegersohn Jared Kushner Gaza zu einem gigantischen Immobilienprojekt machen wollte.

Al-Zaidis Wohnung liegt im Süden Beiruts, wegen der ständigen israelischen Angriffe auf Hisbollah-Institutionen eine Geisterstadt. Er zeigt Videos, wie er durch die fast leeren Gassen dort spaziert und dafür sorgt, dass die Katzen auf der Straße trotzdem etwas zu Fressen haben.

Lag sein Augenmerk vor 16 Jahren auf der US-Besatzung des Irak, liegt es heute auf der US-Unterstützung für Israels Offensive im Gazastreifen und Libanon. „Nur weil die US-Politik das befürwortet, soll die ganze Welt das tun? Sie sollen Ja zum Töten von Menschen, zu ihrer Vertreibung sagen? Nur weil die USA das alles unterstützt und Israel das ausführt, ist das in Ordnung, wird das als normal wahrgenommen?“, fragt er.

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Das Mindeste sei, damit aufzuhören, bei Menschenrechten mit zweierlei Maß zu messen, fordert er – der sich selbst trotz seines Schuhwurfs nicht als antiamerikanisch bezeichnen würde. Wenn Menschen in der Region demonstrierten und „Tod Amerika“ riefen, was meinten sie damit genau: „Wer soll sterben, die Politik oder die Menschen?“, fragt er. Und antwortet: „Was sterben muss, das ist die US-Dominanz in dieser Welt, statt Zerstörung zu verbreiten, sollten die USA Wissenschaft und ihre Werte teilen.“ Dann drückt er eine weitere Zigarette aus.

Eines ist für al-Zaidi klar: Er bereut auch 16 Jahren nach seiner aufsehenerregenden Tat nichts. Hätte er die Gelegenheit, sagt er, er würde seine Schuhe noch einmal werfen – egal ob auf Harris oder auf Trump.

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2 Kommentare

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  • Bei solchen Artikeln fehlt mir häufig etwas, was ein Reporter meiner Ansicht fragen sollte.



    Wie denkt dieser Mensch über den 7. Oktober? Wie denkt er über die Hisbollah und über deren dauerndes Raketenfeuer? Warum werden diese Fragen so selten gestellt?

    • @Peter Schütt:

      Aus welchem Grund soll denn dieser eine irakische Journalist zum 7. Oktober und Hisbollah befragt werden? Der Zusammenhang erschließt sich mir nicht.