das portrait: Die unsterbliche Ikone des Kawaii-Charmes Hello Kitty wird 50
Dass sie vor nun schon 50 Jahren auf die Welt kam, sieht man der berühmtesten Katze der Welt nicht an. Schließlich altert das Gesicht von Hello Kitty – zwei schwarze Knopfaugen, Stupsnase, sechs Schnurrhaare und pinkfarbene Schleife über der Stirn – ja nicht. Die Plüschfigur, die auf „Hello“ reagiert, ist aus vielen Kinderzimmern nicht wegzudenken. Auch erwachsen bleiben Fans wie Lady Gaga und Katy Perry ihrer Liebe treu.
„Mit Hello Kitty können Erwachsene Seiten zeigen, die ihnen in manchen Bereichen ihres Lebens nicht gestattet sind“, erklärt die Anthropologin Christine Yano, Autorin des Buches „Pink Globalization“, das Phänomen.
Das abstrakte, schlichte Design erzeuge ein „reines Produkt“, sagt Yano. Manche Feministinnen störten sich an dem fehlenden Mund, das symbolisiere Entmündigung. Doch eben dieses Manko macht es dem Betrachter leicht, seine Gefühlslage auf das ausdruckslose Gesicht zu projizieren.
Kitty ist japanisch genug, um im Rest der Welt exotisch zu sein, aber so neutral gehalten, dass sie in jedem Kulturkreis ankommt. So wurde die niedliche Katze zur Kitsch-Königin der Welt. Das Fan-Sortiment umfasst Zigtausende Artikel in 130 Ländern, seien es Zahnbürsten, T-Shirts, Bettwäsche, Elektrogeräte oder Smartphone-Hüllen. Ständig kommen neue Produkte auf den Markt, da die ausländischen Lizenznehmer der japanischen Marke große Freiheit in der Gestaltung haben. Bis heute erzielte Sanrio mit der Figur 80 Milliarden Dollar Umsatz weltweit.
Firmendesignerin Yuko Shimizu erfand Hello Kitty 1974 und applizierte sie zuerst auf einer transparenten Kindergeldbörse. Das Design erinnert an das Aussehen der glücksbringenden Winkekatze in Ostasien. Aber Shimizu berichtet, die Inspiration komme aus ihrer Kindheit, als sie von ihrem Vater ein kleines weißes Kätzchen zum Geburtstag geschenkt bekam.
Nach dem ersten Verkaufserfolg brachte Sanrio immer mehr Artikel mit Hello Kitty in Japan auf den Markt und kreierte für die Expansion ins Ausland eine eigene Biografie für die Figur. Kitty White, so ihr voller Name, wurde am 1. November 1974 in Südengland geboren und lebt in einem Londoner Vorort mit ihren Eltern und ihrer Zwillingsschwester Minny White. Sie wiegt laut dieser Legende so viel wie drei Äpfel, ist so hoch wie fünf Äpfel und liebt – Überraschung – Apfelkuchen! Der Bezug zu London ergibt sich aus ihrer Geburtszeit. In den 1970er Jahren begeisterten sich Mädchen und junge Frauen in Japan für alles Englische.
Doch oh Schreck, die heimliche Mutter des Cat Contents im Netz ist gar keine Katze. Diese schockierende Information kam zum 40. Geburtstag ans Licht, als die Forscherin Yano eine Hello-Kitty-Retrospektive in Los Angeles kuratierte und in einem entscheidenden Punkt von Sanrio korrigiert wurde: „Nach ihrer Aussage ist Hello Kitty ein kleines Mädchen, eine Freundin, eine Comic-Figur, aber keine Katze“, berichtete Yano damals. „Sie wird auch nie auf allen Vieren dargestellt und sie geht und sitzt wie ein zweibeiniges Wesen.“ Ja, diese Drittklässlerin lebt ironischerweise mit einer Katze namens Charmmy Kitty zusammen!
Bisher sind die meisten Fans einfach nur dem Kawaii-Charme der superniedlichen Figur verfallen und kümmern sich nicht um die wahren Lebensumstände. Das könnte sich bald ändern: Sanrio kündigt auf der Webseite zum 50. Geburtstag ein Filmprojekt mit Hello Kitty an.
Martin Fritz, Tokio
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