: Wie weit ist der Meeresschutz in Europa?
Meeresschutzgebiete sind entscheidende Bausteine für den Erhalt der ökologischen Vielfalt und des Klimaschutzes – darüber besteht wissenschaftlicher Konsens. Deutschland liegt im europäischen Vergleich vorn: Die Bundesrepublik ist Spitzenreiter bei der Ausweisung von Gebieten auf See und hat rund 45 Prozent ihrer Küstenmeere und der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) unter Schutz gestellt. In der Nordsee entspricht das rund 43 Prozent, in der Ostsee etwa 51 Prozent. Damit wurde das Ziel der EU, 30 Prozent der Meeresflächen bis 2030 unter Schutz zu stellen, übertroffen.
„Allerdings sind diese Gebiete fast durchweg ‚paper parks‘, sie bleiben für den Meeresschutz weitgehend wirkungslos“, kritisiert Ulrich Karlowski von der Deutschen Stiftung Meeresschutz. Noch immer kämen Grundschleppnetze in Nord- und Ostsee zum Einsatz und zerstörten wichtige Lebensräume. Mit der Amrum-Bank südwestlich von Sylt gebe es immerhin eine kleine Zone, die künftig frei von Fischerei sei, erläutert der Biologe auf taz-Anfrage. Doch auch Zuflüsse von Nährstoffen aus der Landwirtschaft gelte es in den Griff zu bekommen. „Eine Meereswende ist das nicht.“
Viele andere EU-Länder drohten, ihre Schutzziele deutlich zu verfehlen, warnen die Meeres-NGOs Oceana und Seas at Risk. Portugal habe nur fünf Prozent seiner Hoheitsgewässer als Meeresschutzgebiete ausgewiesen, die Inselrepublik Irland neun Prozent. Pläne für einen strengen Schutz habe zudem kaum ein Land bei der EU-Kommission eingereicht – auch Deutschland nicht. Der Hintergrund: Eigentlich soll die Fläche der besonders streng geschützten Gebiete bis 2030 auf mindestens zehn Prozent der EU-Meere steigen – von derzeit weniger als einem Prozent.
Neue Gebiete sollen zum Beispiel in Kroatien entstehen. Bisher hat das Land mit 1.777 Kilometer Küstenlinie rund neun Prozent seiner Küstengewässer zu Schutzgebieten erklärt. In der Kvarner Bucht bemüht sich ein Team der Organisation Mare Mundi um die Einrichtung von zwei fischereifreien Zonen. Damit sollen vor allem die vom Aussterben bedrohten Haie und Rochen geschützt werden. „Wenn hier nicht bald etwas geschieht, werden auch die letzten entscheidenden Hotspots der Artenvielfalt in der kroatischen Adria durch fischereiliche und touristische Übernutzung unwiederbringlich verloren gehen“, so der leitende Meeresbiologe Robert Hofrichter in einer Presseerklärung.
Positive Nachrichten kommen aus Griechenland: Als erster EU-Mitgliedstaat hat das Land angekündigt, die Grundschleppnetzfischerei in Meeresschutzgebieten zu verbieten. Ab 2026 werde die klima- und umweltschädliche Fangmethode der Vergangenheit angehören, kündigte Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis im April an. Drohnen, Satelliten und künstliche Intelligenz sollen das Ziel überwachen. Eine griechische Reederei will darüber hinaus ihre Schiffsrouten im Hellenischen Graben künftig freiwillig zum Schutz von Walen ändern. Außerdem sollen zwei neue Naturparks entstehen, einer im Ionischen Meer und einer in der Ägäis. Damit wären 80 Prozent der griechischen Küste geschützt. Die Regierung erhofft sich eine Signalwirkung und ermutigt andere Staaten mitzumachen.
Schweden kündigte im Juni ebenfalls ein Verbot der Grundschleppnetzfischerei an. Die Pläne gehen über jene Vorhaben Griechenlands in Meeresschutzgebieten hinaus und sollen gleich in allen schwedischen Hoheitsgewässern gelten. Dänemark hat angekündigt, bis zu 15 Prozent landwirtschaftlicher Flächen aus der Nutzung zu nehmen, damit die biologisch weitgehend toten Ostseefjorde des Landes renaturiert werden können.
Maximilian Arnhold
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