Legendäre Bremer Gaststätte bleibt: Kneipe rettet sich selbst
Die Genossenschaft, die das „Horner Eck“ im Bremer Steintorviertel betreibt, kauft jetzt das ganze Haus. So bleibt auch günstiger Wohnraum erhalten.
Das „Horner Eck“ im Bremer Steintorviertel ist, was manche eine Traditionskneipe nennen. Als vor ein paar Jahren das Aus drohte, war die Gründung einer Genossenschaft die rettende Idee. Diese Genossenschaft hat nun genug Geld zusammenbekommen und das ganze Gebäude gekauft – und die Kneipe damit ein weiteres Mal gerettet.
Welche Bedeutung das „Horner Eck“ hat, ist bei der Unterzeichnung des Kaufvertrags am Montag zu erahnen. „Wir haben mit fünf Personen gerechnet, nicht mit 500“, sagte Notarin Laura Adamietz zu den etwa 25 Menschen, die es ins Foyer ihrer Kanzlei geschafft haben. Begleitung sei sie gewohnt, dass aber für eine Vertragsunterzeichnung so viele Zuschauerinnen und Zuschauer kommen, „ist nicht normal.“
Das „Horner Eck“ ist eben eine Institution im Viertel, das von Cafés, Kneipen und Altbremer Häusern aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert geprägt ist. In so einem Altbremer Haus ist auch das „Horner Eck“. Als die Kneipe 2018 vor dem Aus stand, führte die WG darüber sie mit Freund*innen weiter. Ein Jahr später gründen sie die Genossenschaft.
Es gibt im „Horner Eck“ nicht nur Bier und Wein, sondern auch wechselnde Ausstellungen im Kneipenraum oder Filmabende, Lesungen und Konzerte – kostenlos und ohne Konsumzwang. „Wir wollen das Horner Eckhaus als Kulturzentrum ausbauen und gleichzeitig günstigen Wohnraum schaffen“, erklärt Alessandra Milici, Teil des Genossenschaftsvorstandes, die Idee.
Genossenschaft will Haus kaufen
Als die Immobilienbesitzer dann entschieden, das Haus zu verkaufen, „da war das für uns existenzbedrohend“, sagt Milici. Ihre Sorge: Ein neuer Eigentümer könnte das Haus umbauen lassen, die Kneipe rausschmeißen zugunsten von Appartements. Dann wäre nicht nur die Kneipe weg, sondern auch der günstige Wohnraum. Schnell war daher klar, dass die Genossenschaft das Haus kaufen möchte.
Alessandra Milici, Teil des Genossenschaftsvorstandes
Um dies umzusetzen, haben sich die Genoss*innen in den vergangenen anderthalb Jahren in verschiedene Arbeitsgruppen unterteilt, die sich um die Öffentlichkeitsarbeit, den notwendigen Umbau und die Finanzierung kümmern. Für den Hauskauf haben sie auf eine gemeinschaftliche Finanzierung gesetzt: Das Geld für den Hauskauf kommt von mehr als 200 Genossenschaftsmitgliedern, die mal einen Anteil à 50 Euro oder mal zehn Anteile gekauft haben. Dazu kamen 70 Direktkredite mit einem Mindestwert von 1.000 Euro.
Und sie haben es geschafft: Ab dem ersten Januar wird das Eckhaus ihnen gehören. 620.000 Euro müssen sie inklusive der Kaufnebenkosten bezahlen. „Immobilienpreise im Viertel sind in der Regel schon höher, aber die Substanz ist nicht auf dem neuesten Stand“, so Milici.
Projekt geht weiter
Das Projekt ist durch den Hauskauf aber noch nicht beendet, sagt Amanda Küster, Teil der Bau-AG: „Die nächsten 30 Jahre werden wir immer weiter Geldgeber:innen brauchen.“ Damit wolle man die Direktkredite zurückzahlen und weitere Projekte finanzieren, wie die Haussanierung oder den Ausbau des Dachstuhls. Dafür brauche die Genossenschaft zusätzliches Geld, insgesamt soll das Hausprojekt eine knappe Million Euro kosten.
Eigentlich ist die Kneipe montags immer geschlossen, nur die Arbeitsgruppen und das Kneipenpersonal kommen sonst zum Plenum ins „Horner Eck“. Am vergangenen Montag war es anders: Unterstützer*innen und Menschen aus der Nachbarschaft stoßen auf den Hauskauf an, viele tragen Shirts, die das „Horner Eck“ in den vergangenen Jahren gedruckt hat, um den Hauskauf zu finanzieren – mal mit dem Schriftzug der Kneipe auf der Brust, mal mit dem Grundriss des Eckhauses auf dem Rücken. Der rote Teppich liegt bereit, eine Nebelmaschine tut ihr Übriges. „Our House“ von Madness läuft in der Kneipe.
Das Haus bleibt, das ist nun sicher. Wann es mit dem Umbau losgeht, ist noch nicht klar: „Die Planung mit den verschiedenen Gewerken war natürlich schwierig, bevor das Haus unser ist“, sagt Alessandra Milici, „aber wir hoffen, dass wir nach dem Winter anfangen können.“
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