Abriss des Berliner Jahnstadions: Zukunft gegen Vergangenheit

Seit Jahren wird die Zukunft des Jahnstadions diskutiert, nun haben die Abrissarbeiten begonnen. Ein Eilantrag könnte das Vorhaben noch aufhalten.

Das Berliner Jahnstadion mit Betonstreben, die aus den Mauern schauen.

Die ersten Spuren der Abrissarbeiten direkt an der Frontseite des Stadions Foto: Luisa Holzkamp

Berlin taz | Noch hört man die lebhaften Gespräche einer Schulklasse, wenn man sich am Mittwoch Vormittag dem Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark in Prenzlauer Berg nähert. Der halbtransparente Sichtschutz und eine Baggerschaufel am Eingang lassen erahnen, dass sich das bald ändern wird. Spätestens wenn man direkt vor dem Stadion steht, sieht man die Betonstreben herausragen.

Seit Jahren wird über die Zukunft des Berliner Jahnstadions diskutiert. Anfang dieser Woche haben nun die Abrissarbeiten in Prenzlauer Berg begonnen. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen hat den Abriss und Neubau des Jahnstadions beschlossen. Anschließend soll der gesamte Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark umgestaltet werden. Geplant sind neue Sportanlagen wie Fußball-, Beachvolleyball- und Tennisplätze sowie eine Multisporthalle und ein Begegnungszentrum. Unter dem Slogan „Jahnsportpark für Alle!“ wird vor allem die Idee betont, das Stadion inklusiver zu gestalten.

Doch nicht alle sind begeistert. Der Umweltverband „NaturFreunde Berlin“ hatte bereits angekündigt einen Eilantrag gegen den Abriss beim Berliner Verwaltungsgericht stellen zu wollen. Der Antrag sei am Dienstagnachmittag eingegangen und liege nun den Richtern vor, teilte eine Sprecherin des Gerichts mit. Der Verband wirft dem Senat vor, die Auflagen zum Umweltschutz nicht ausreichend erfüllt zu haben. Besonders kritisch sehen sie das Fällen von 50 Bäumen, die 350 Nisthöhlen für 25 Vogel- und neun Fledermausarten bieten sollen. Diese Quartiere seien bislang nicht ersetzt worden, so die Kritik. Auch die Bürgerinitiative Jahnsportpark, die sich zur Rettung des Stadions gegründet hat, unterstützt den Eilantrag. Die Senatsverwaltung betont hingegen, dass alle erforderlichen Maßnahmen zum Schutz der Artenvielfalt umgesetzt werden. „Ich muss Ihnen sagen, die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hat immer sehr, sehr ordentlich gearbeitet, gerade auch in dem Bereich. Wir werden sehen, ob der Eilantrag vom Gericht überhaupt angenommen wird“, sagte die SPD Innen- und Sportsenatorin Iris Spranger.

Eine „Berlin-eigene Qualität“

Neben den Umweltschutzbedenken gibt es auch weitere Kritikpunkte. Die Bürgerinitiative Jahnsportpark sammelte über 14.000 Unterschriften, um die Maßnahmen zu verhindern. Aus ihrer Sicht sind Abriss und Neubau weder nötig noch finanziell nachhaltig. Allein die Arbeiten am Stadion sollen dabei knapp 200 Millionen Euro kosten. Auf Anfrage der taz schreibt die Initiative: „Weder dem Inklusions- noch Schulsport hilft es, wenn hier über 200 Millionen in ein neues Profi-Fußballstadion gesteckt werden.“ Stattdessen plädieren sie dafür, das historische Stadion umzubauen, dabei die ikonischen Lichtmasten zu erhalten und es mit modernen Tribünen und Technikräumen auszustatten. Sie betonen außerdem die soziale und historische Bedeutung des Stadions, besonders für den Osten Berlins. Das Stadion habe einen „großen sozialen Wert für Sporttreibende“ und repräsentiere eine „Berlin-eigene Qualität“.

Ein Sportler vor Ort erzählt, dass er bei den ganzen Plänen nicht mehr durchblicke. „Der eine erzählt das, und der andere wiederum, dass das nicht stimmt.“ Auch mögliche Asbest-Rückstände im Mauerwerk waren bereits Teil der Diskussionen. „Ich kann die Motive nicht wirklich einschätzen, aber ich würde mich freuen, wenn die umliegenden Schulen das Stadion nutzen könnten“, betont er.

Die historische Bedeutung des Stadions ist nicht zu leugnen. Im Jahnstadion wurden ein Dutzend Leichtathletik Weltrekorde aufgestellt, die von zehntausenden ZuschauerInnen bejubelt wurden. Einer der bedeutendsten Weltrekorde ist der Speerwurf von Uwe Hohn, der über 100 Meter weit (alter Speer) flog. Er bleibt damit bis heute der einzige Deutsche, der die Hundertermarke geknackt hat. Auch die Sprinterin Marlies Göhr erreichte Bedeutendes im Jahnstadion, indem sie 1983 ihren eigenen Weltrekord ein drittes Mal verbesserte. Zudem fanden im Stadion zehn Länderspiele der Fußballnationalmannschaft der DDR statt, von denen sie kein einziges verloren.

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