Miersch wird SPD-Generalsekretär: SPD-Linker folgt auf SPD-Linken

Matthias Miersch übernimmt kommissarisch die Geschäfte von Kevin Kühnert. Der SPD-Linke ist Energieexperte und gilt als versierter Verhandler.

Porträt eines lächelnden Mannes mit Brille

Keine leichte Aufgabe: Matthias Miersch übernimmt kommissarisch das Amt als SPD-Generalsekretär Foto: Kay Nietfeld/dpa

Berlin taz | Erfahren, eloquent und gut vernetzt – Matthias Miersch bringt viele Eigenschaften mit, die ein SPD-Generalsekretär braucht. Zumal, wenn er elf Monate vor der regulären Bundestagswahl eingewechselt wird, somit einen Kaltstart hinlegen muss und keine Einarbeitungszeit hat. Seit Montagabend steht fest, dass der 55-jährige Niedersachse die Geschäfte von Kevin Kühnert übernehmen wird. Vorstand und Präsidium hatten sich in eilig zusammengerufen Dringlichkeitssitzungen dem Vorschlag der Parteidoppelspitze angeschlossen und für Miersch als neuen Generalsekretär ausgesprochen.

Der Wechsel war nötig geworden, weil Kevin Kühnert die Reißleine gezogen hat. Der 35-jährige hat am Montag schriftlich mitgeteilt, dass er sein Amt als Generalsekretär aufgibt und auch nicht mehr für den Bundestag kandidieren wird. Zur Begründung schrieb er, er sei derzeit nicht in der Lage über sich hinauszuwachsen und brauche seine Energie, um wieder gesund zu werden.

Mit Miersch kommt ein Nachfolger, der wie Kühnert dem linken Flügel der SPD angehört. Er ist einer von vier Spre­che­r:in­nen der Parlamentarischen Linken, der neben den Seeheimern zahlenmäßig größte Parteiströmung in der Sozialdemokratie.

Auch der Sprecher des Seeheimer Kreises Dirk Wiese war als Nachfolger Kühnerts im Gespräch, was technisch aber schwierig gewesen wäre. Denn der Generalsekreträr ist automatisch Mitglied des Parteivorstands, und der wird demokratisch vom Parteitag aller zwei Jahre gewählt. Für eine komissarische ad hoc Nachbesetzung, wie in diesem Fall, kam also nur jemand in Frage, der bereits gewähltes Mitglied des Parteivorstands ist. Anders als Wiese ist das bei Miersch der Fall.

Moderator, der auch Attacke kann

Zudem wird mit der Personalie die parteiinterne Machtbalance gewahrt. Denn mit Kanzler Olaf Scholz und dem Co-Parteivorsitzenden Lars Klingbeil ist der konservative Parteiflügel in der obersten Führungsebene bereits gut repräsentiert.

Mierschs Aufgabe wird es nun sein, die Parteizentrale samt ihren 200 Mit­ar­bei­te­r:in­nen für den Bundestagswahlkampf aufzustellen, die Kampagne zu planen und die SPD gemeinsam mit den Parteivorsitzenden in den Wahlkampf zu führen. Das heißt Geschlossenheit nach innen und Angriff nach außen zu organisieren. Dass er moderieren kann, aber auch die Abteilung Attacke beherrscht, hat Miersch bereits als Fraktionsvize bewiesen.

In der 207-köpfigen Bundestagsfraktion ist er einer von acht Stell­ver­tre­te­r:in­nen und zuständig für die Themen Umwelt, Klimaschutz, Energie, Landwirtschaft, Verbraucherschutz. Für die SPD verhandelte er das Heizungsgesetz und verlangte den Koalitionspartnern Zugeständnisse in punkto Förderung, Härtefallregeln und Fristen ab. Gleichzeitig ist Miersch ein überzeugter Befürworter der Energiewende und eines schnellen Ausbaus von erneuerbaren Energien, dessen Expertise auch in Fachkreisen geschätzt wird. Er scheute sich deshalb nicht, die Regierung und den Kanzler immer wieder an die Einhaltung der Klimaziele zu erinnern.

Sie halte ihn für einen unheimlich versierten Verhandler, so seine Partei- und Fraktionskollegin Wiebke Esdar, die wie Miersch zum Spre­che­r:in­nen­kreis der Parlamentarischen Linken gehört. „Er ist dabei nicht dogmatisch, sondern redet auf Augenhöhe mit Mitarbeitern und Experten und ist offen für Anregungen. Und kann dann mit klarem Kompass Entscheidungen fällen.“ Zudem stehe er für die Zukunftsthemen Klima, Energie und Transformation und die dahinterliegenden Kernthemen der SPD, „nämlich gute Arbeit und die Sicherung des wirtschaftlichen Wohlstands.“ Esdar ist deshalb überzeugt, dass „Matthias ein sehr, sehr guter Generalsekretär sein wird.“

Miersch ist seit fast 20 Jahren Mitglied des Bundestages und seit 2019 Vorsitzender des SPD-Bezirks Hannover. Für den Wahlkreis Hannover-Land errang er seit 2005 immer wieder das Direktmandat. Erst kürzlich hat er angekündigt, wieder für den Bundestag kandidieren zu wollen. Es wird nun auch maßgeblich an ihm liegen, ob die SPD-Fraktion auch nach der Wahl wieder in annähernd gleicher Stärke im Bundestag vertreten sein wird, wie in der aktuellen Legislaturperiode. Die Umfragen geben das derzeit noch nicht her.

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