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Neuer Präsident in VietnamBereits der vierte Präsident seit 2023

Vietnams Parlament wählt den Armeegeneral Luong Cuong zum Staatspräsidenten. Mit ihm wächst die Macht des Sicherheitsapparats im Führungsquartett.

Der neu gewählte Präsident Vietnams Luong Cuong trifft zu seiner Vereidigung in der Nationalversammlung ein Foto: Minh Hoang/AP/dpa

Berlin taz | Nach dem Geheimdienstchef kommt der Armeechef: Am Montag wählte Vietnams Parlament den 67-jährigen Armeegeneral Luong Cuong zum Staatspräsidenten. Die Wahl erfolgte einstimmig – was im Parlament des Einparteienstaates allerdings keine Selbstverständlichkeit ist. Der Neue löst den im Geheimdienst sozialisierten To Lam ab, der seit August zusätzlich zu dem eher repräsentativen Amt des Staatspräsidenten auch das des mächtigeren Generalsekretärs der Kommunistischen Partei übernommen hatte.

Traditionell werden in Vietnam die vier mächtigsten Ämter – Parteichef, Staatspräsident, Premierminister und Parlamentspräsident – getrennt. Das Prinzip heißt „kollektive Führung“, und dabei war traditionell eine gewisse Quotenregelung wichtig. Nicht etwa eine nach Geschlechtern, wie man meinen könnte, sondern nach Regionen in Vietnam, sowie nach der Kompetenz in der Wirtschaft und im Sicherheitsapparat. Eine Frau hatte dem Führungsquartett lediglich zwischen 2016 und 2021 als Parlamentspräsidentin angehört.

Luong Cuong ist bereits der vierte Präsident seit letztem Jahr. Zwei Vorgänger haben das Amt nach Korruptionsvorwürfen räumen müssen. Korruption ist in Vietnam zwar weit verbreitet, doch die Vorwürfe zu diesen Zeitpunkten wirkten sehr konstruiert. Es gilt als offenes Geheimnis, dass der mächtige To Lam die Strippen gezogen hat, um die höchsten Ämter in Vietnam für sich selbst freizuschaufeln. Mit der Wahl von Luong Cuong könnte die Führungskrise in Vietnam mit ständigen Rücktritten von Spitzenpolitikern wegen Korruptionsvorwürfen nun vorbei sein, schreiben internationale Beobachter.

Die Wahl von Luong Cuong ist keine Überraschung. Exilmedien wie das in Berlin ansässige Thoibao.de sowie internationale Medien hatten die Wahl bereits seit zwei Monaten vorausgesagt. Vietnams Staatsmedien halten sich mit solchen Voraussagen eher zurück.

Luong Cuong kaufte Militärtechnik in den USA

Dem Führungsquartett gehören nunmehr drei Männer aus dem Landesnorden an. Lediglich der Parlamentspräsident stammt aus dem Süden, ein Zentralvietnamese ist nicht mehr in der engen Führungsriege vertreten. Das wäre für die im dortigen traditionellen Armenhaus Vietnams lebenden Menschen aber wichtig. Es sind zudem vor allem Politiker, die aus der Wirtschaft stammten, die wegen der Korruptionsvorwürfe gehen mussten. Ersetzt wurden sie durch Vertreter aus dem Sicherheitsapparat, zumeist aus Geheimdienst und Polizei. Die dominieren jetzt im mächtigen Zentralkomitee der Kommunistischen Partei.

Da hatte die Armee gedrängt, auch im Führungsquartett vertreten zu sein. Das auch, um ein Gegengewicht zu To Lam zu setzen, der mithilfe des Geheimdienstes politische Gegner ins Abseits schiebt.

Armee und polizeilicher Geheimdienst sind sich in Vietnam nicht so nah, wie man meinen könnte. Zum einen betreiben beide auch Wirtschaftsbetriebe wie Banken, Telefongesellschaften und Immobilienunternehmen, die miteinander konkurrieren. Zum anderen ist das Militär stark an guten Beziehungen zu den USA interessiert, weil es von dort die modernste Militärtechnik kaufen will. Das aber stößt auf den Widerstand von Vietnams mächtigem Nachbarn China, der mit Vietnam um Inseln im Südchinesischen Meer kämpft und in dem Parteichef To Lam einen mächtigen Fürsprecher hat.

Welche Militärtechnik Luong Cuong bei seinem USA-Besuch in diesem Jahr, den er noch als Armeegeneral absolvierte, tatsächlich einkaufte, ist ein Geheimnis. Nicht einmal die sonst so gut informierte Exilpresse weiß es.

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