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Studie: Gefahrlos mit Kot düngen

Forscher zeigen neue Möglichkeit auf. Bislang sind menschliche Exkremente als Dünger untersagt

Von Annette Jensen

Kot lässt sich gefahrlos kompostieren und erhöht den Kohlenstoff- und Humusgehalt des Bodens. Kombiniert mit aufbereitetem Urin bekommt der Acker alles zurück, was ihm bei der Ernte genommen worden ist. Das ist das Fazit des Forschungsprojekts „zirkulierBAR“, das jetzt seine Ergebnisse vorgestellt hat.

Mit 2,4 Millionen Euro Fördergeld aus dem Bundesforschungsministerium gelang es in Eberswalde, auf dem Gelände der Kreiswerke Barnim ein Reallabor einzurichten. Die Firma Finizio sammelt die Hinterlassenschaften von Fes­ti­val­be­su­che­r:in­nen und aus öffentlichen Trockentoiletten. Der Kot wird mit Stroh gemischt, und so entstehen durch natürliche Prozesse hohe Temperaturen, die Keime abtöten und auch Medikamentenreste und Hormone eleminieren. Anschließend wird der Inhalt in lange Mieten ausgelegt und regelmäßig gewendet. Für die Aufbereitung des Urins kommt eine Anlage der Schweizer Firma VunaNexus zum Einsatz. Die anschließenden Feldversuche fanden bei einem konventionellen landwirtschaftlichen Betrieb statt.

Claudia Kirsten vom Biomassezentrum Leipzig hat die Prozesse eng begleitet und jede Charge genauestens auf mögliche Schadstoffe hin analysiert. „Alle Proben haben alle Grenzwerte der Düngeverordnung eingehalten“, bestätigte sie den etwa 150 Interessierten, die zur Präsentation der Forschungsergebnisse nach Berlin gekommen waren. Doch die deutsche Rechtslage verhindert bisher, dass die innovative Technik auf breiter Ebene zur Anwendung kommen kann. Das Düngerecht lässt nur definierte Ausgangsstoffe zu – und menschliche Exkremente gehören nicht dazu.

In der Schweiz hingegen ist der Urindünger Aurin längst auf dem Markt. Der Bedarf für die Innovation ist da, wie Marco Schlütter vom Umwelt- und Klimadezernat der Stadt Leipzig bestätigte: „Marode Kanalnetze, Investitionsstaus, sinkende Grundwasserspiegel – ich bin mittlerweile fest davon überzeugt, dass wir unser Abwassersystem transformieren müssen.“ Leipzig zählt zu den etwa 20 Kommunen, die die Forschung in Eberswalde beobachtend begleitet haben. Hinzu kommt, dass der nährstoffhaltige Dünger aus menschlichen Hinterlassenschaften dezentral und ressourcenschonend erzeugt werden kann. Dagegen verbraucht künstlich hergestellter Stickstoffdünger enorme Mengen an Energie.

„Was müssen wir noch beweisen, damit klar ist, dass gut und sinnvoll ist, was wir machen und es Menschen nicht schadet?“, fragte Finizio-Geschäftsführer Florian Augustin bei der Präsentation die anwesende SPD-Bundestagsabgeordnete Sylvia Lehmann. Vielen bürokratischen Hürden und langwierigen Genehmigungsprozesse hätten ihn mürbe gemacht, immer wieder denke er ans Aufhören.

Die SPD-Abgeodnete zeigte sich überaus offen für die Innovation: „Der Mensch gehört zum ökologischen Kreislauf dazu – und unsere Ausscheidungen sind Teil davon.“ Sie hat nach eigenen Worten kürzlich einen Prüfauftrag zum Düngegesetz an das Landwirtschaftsministerium geschickt.

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