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St. Paulis Heimniederlage gegen MainzLernen unter Druck

Der FC St. Pauli verliert auch gegen Mainz 05 deutlich. Gerade mit Teams, die am ehesten auf Augenhöhe sein sollten, tun sich die Hamburger schwer.

Blieb mit seinen Torabschlüssen glücklos: St. Paulis Kapitän Jackson Irvine Foto: Marcus Brandt/dpa

Hamburg taz | Das Wort „lernen“ gebrauchte St. Paulis Trainer Alexander Blessin nach der 0:3-Niederlage gegen Mainz 05 bestimmt zehnmal in zehn Minuten, nicht selten in Verbindung mit dem Adjektiv „schnellstmöglich“. Die Rheinhessen hatten den Hamburgern im ausverkauften Millerntorstadion eine Lehrstunde in Sachen Effizienz erteilt. Aus drei Chancen hatten sie drei Tore gemacht und St. Pauli damit den Stecker gezogen.

Zu den ersten beiden Treffern hatte St. Pauli den Gegner förmlich eingeladen. „Da haben wir schöne Geschenke verteilt“, meinte Blessin, nachdem ausgerechnet die Erfolgsgaranten der vergangenen Wochen gepatzt hatten: Keeper Nikola Vasilj, in der Vorwoche in Freiburg mit einem gehaltenen Elfmeter noch der Matchwinner, war zögerlich aus seinem Tor gelaufen und hatte sich von Jonathan Burkardt zum 0:1 überlupfen lassen; der gerade erstmals in die schwedische Nationalelf berufene Abwehrchef Eric Smith hatte mit einem schlimmen Fehlpass das 0:2 durch Armindo Sieb eingeleitet.

Da war eine Viertelstunde gespielt und St. Paulis Matchplan im Eimer. Dass seine Spieler danach mutig weitermachten und den Mainzern optisch in allen Belangen überlegen schienen, daraus wollte Blessin später Hoffnung schöpfen. Dass das in der zweiten Halbzeit kaum mehr der Fall war, gab er jedoch unumwunden zu. Und daraus kann man Ernüchterung ableiten.

St. Pauli schien gerade in der Ersten Bundesliga angekommen zu sein: Am Millerntor war vor zwei Wochen der erste Punktgewinn ausgerechnet gegen die Intimfeinde von RB Leipzig gelungen und die St. Paulianer hatten sich hinterher ärgern müssen, gegen den Champions-League-Teilnehmer nicht gewonnen zu haben.

Trainer Blessin handelte gegen seine Überzeugung

Das gelang dann eine Woche später mit einem 3:0 beim SC Freiburg zumindest vom Ergebnis her auf eindrucksvolle Weise, auch wenn St. Pauli davon profitierte, dass die Freiburger den ihnen zugesprochenen Elfmeter nicht nutzen konnten und ihnen ein Tor wegen Abseits aberkannt wurde.

In Freiburg hatte Blessin, der auf den nach Brighton abgewanderten Aufstiegstrainer Fabian Hürzeler gefolgt war, erstmals gewissermaßen gegen seine Überzeugung gehandelt: Von Beginn an brachte er die Flügelzange aus Elias Saad und Oladapo Afolayan zum Einsatz. Die beiden nahmen die Freiburger ähnlich auseinander wie in der Vorsaison das Gros der Zweitliga-Teams, schossen auch alle drei Tore selbst.

Der Rückschlag sät ernste Zweifel an der Bundesligatauglichkeit des Kaders

Dem war eine lange Debatte vorangegangen. Blessin bevorzugt eine defensivere Grundordnung mit einer Doppelspitze und ließ die Flügelstürmer meist lange außen vor. In Freiburg schien es, als hätte er sich der Macht des Faktischen gebeugt; einfach die Spieler rangelassen, die die größte individuelle Klasse mitbringen – und auch sie dazu gebracht, defensiv für alle anderen mitzuackern.

Gegen Mainz nun der Rückschlag, der ernste Zweifel an der Bundesligatauglichkeit des Kaders sät: Die Systemumstellung scheint verpufft zu sein, Saad und Afolayan liefen sich häufig fest, spielten manche Flanke eine Spur zu spät – und defensiv wies St. Pauli bedenkliche Lücken auf.

Bedenklich auch, dass das Team sich vor allem mit den bescheideneren Mannschaften der Liga schwertut. Intern sieht man sich neben Mitaufsteiger Holstein Kiel am ehesten mit Bochum, Augsburg, Mainz und Heidenheim auf Augenhöhe. Gegen drei dieser Teams hat es jetzt schon klare Niederlagen gesetzt, zwei davon vor dem euphorisierten Publikum am Millerntor, das gegen Mainz auch schon deutlich stiller wurde als zuletzt gegen Leipzig.

Auf St. Pauli müssen sie sich nun fragen, wo eigentlich die Punkte herkommen sollen, um den direkten Wiederabstieg zu vermeiden. Blessin hat recht: Die Mannschaft muss aus ihren Fehlern lernen, und zwar schnellstmöglich. Ob die anstehende Länderspielpause dafür eine gute Gelegenheit ist, scheint fraglich: Ein Großteil des Teams wird physisch wie mental ganz woanders sein. Den Daheimgebliebenen wird es schlimmstenfalls ergehen wie dem Coach. Der bekannte, er werde die Niederlage jetzt zwei Wochen lang mit sich rumschleppen. Anders als den Sieg in Freiburg: „Das war nur ein Tag.“

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1 Kommentar

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  • Sie sind noch nicht in der Bundesliga angekommen. Sie werden etwas Zeit benötigen um dieser Spielweise/Leistung standzuhalten.