Wahlkampf in den USA: Debattieren geht auch mit Anstand

Die Vizepräsidentschaftskandidaten Tim Waltz und JD Vance treffen sich zur TV-Debatte. Im Vordergrund stehen Inhalte und nicht persönliche Angriffe.

Vance und Walz bei der Debatte im TV-Studio

Der republikanische Kandidat Senator J.D. Vance und der demokratische Kandidat Tim Walz bei der Vizepräsidentschaftsdebatte Foto: Matt Rourke/AP/dpa dpa AP

Washington D.C. taz | Die Erwartungen an die TV-Debatte der beiden Vizekandidaten im US-Wahlkampf waren im Vorfeld hoch. Sowohl der republikanische US-Senator JD Vance als auch der demokratische Gouverneur Tim Walz sind auf Bundesebene noch immer relativ unbekannt. Und da keine weitere Debatte zwischen Vizepräsidentin Kamala Harris und Ex-Präsident Donald Trump angesetzt ist, war es für die Wähler die womöglich letzte Gelegenheit vor dem Wahltag mehr von den beiden Parteien zu hören.

Und zu hören, gab es einiges. Vance und Walz diskutierten über knapp zwei Stunden hinweg wichtige Wahlkampf-Themen wie die Wirtschaft, Migration, Abtreibung und Schusswaffengewalt. Der Sieger war am Ende die US-Politik, da beide Vizekandidaten gezeigt haben, dass man auch im Jahr 2024 noch immer mit Anstand seine politischen Meinungsverschiedenheiten darlegen kann.

Die beiden Kontrahenten gaben sich nicht viel, doch der 40-jährige Vance hatte über die gesamte Debatte hinweg eine stärkere Präsenz als sein Widersacher. Besonders zu Beginn der Diskussion wirkte Walz etwas überfordert. Auch musste er erneut eine Diskrepanz in seiner Biografie klarstellen und machte dabei alles andere als einen souveränen Eindruck.

Der Gouverneur des US-Bundesstaates Minnesota hatte in der Vergangenheit behauptet, dass er am 4. Juni 1989, als es auf dem Tiananmen-Platz in Peking zu der gewaltsamen Zerschlagung der chinesischen Demokratiebewegung kam, in Hongkong gewesen sei. Belege haben jedoch gezeigt, dass Walz erst im August des gleichen Jahres nach Asien reiste.

Außenpolitik nur Randthema

„Ich bin manchmal ein Dummkopf […] Ich habe lediglich gesagt, dass ich im Sommer dort ankam und mich dabei versprochen“, versuchte Walz die Ungereimtheiten in seiner Geschichte zu erklären. Es war sein wohl schlechtester Moment in der ganzen Debatte. Und das, wenn man bedenkt, dass er sich später noch verhaspelte und sagte, dass er „Schulamokläufer“ befreundet hätte.

Wie schon in den TV-Debatten zwischen US-Präsident Joe Biden und Trump sowie zwischen Harris und Trump fand auch die Vizekandidaten-Debatte ohne Live-Publikum statt. Und trotz der akuten Krise im Nahen Osten gab es nur eine einzige Frage zum Thema Außenpolitik.

Doch welches Thema auch zur Debatte stand, Walz kritisierte immer wieder Trumps Bilanz während seiner ersten Amtszeit. Vor allem beim Thema Abtreibung und reproduktive Gesundheitsversorgung konnte Walz punkten. Er erklärte, dass er und Harris nicht für Abtreibungen seien, sondern für das Recht von Frauen und deren Freiheit selbst zu entscheiden einstehen.

„Das ist ein grundlegendes Menschenrecht. Wir haben in Texas einen sprunghaften Anstieg der Müttersterblichkeit erlebt, der viele andere Länder der Welt übertrifft. Es geht hier um die Gesundheitsversorgung. In Minnesota stehen wir nicht ohne Grund an erster Stelle in der Gesundheitsversorgung. Wir vertrauen Frauen. Wir vertrauen Ärzten“, sagte Walz.

Senator Vance aus Ohio kritisierte vor allem die „offene Grenzpolitik“ der Harris-Biden-Regierung, die er für den explosiven Anstieg von Migranten im Land verantwortlich macht.

Vance folgte Trumps aggressivem Stil nicht

Er wiederholte dabei auch mehrmals die Zahl von 25 Millionen illegale Einwanderern. Es ist eine Zahl, die gern von konservativen Politikern und Medien verbreitet wird, jedoch nicht auf statistisch belegten Werten basiert. Trump und Vance wissen allerdings, dass ein Großteil der US-Bevölkerung mittlerweile für schärfere Grenzkontrollen plädiert.

„In vielen Gemeinden des Landes sind die Schulen überlastet, die Krankenhäuser überlastet und der Wohnraum ist völlig unerschwinglich, weil wir Millionen illegaler Einwanderer ins Land geholt haben, die mit den Amerikanern um die wenigen Wohnungen konkurrieren“, sagte Vance.

Besonders bemerkenswert an Vances Auftritt am Dienstagabend war, dass er im Gegensatz zu seinen Auftritten in rechten Medien und auf Kundgebungen seine von Trump beeinflusste Rhetorik gegenüber Demokraten stark zurückschraubte. Er gab sich kompromissbereit und blieb höflich im Umgang mit Walz.

Das Rennen ums Weiße Haus bleibt eng

Seine schwächste Szene kam erst in den letzten Minuten der Debatte, als es um Trumps Wahlniederlage vor vier Jahren ging. Der Ex-Präsident hat diese Niederlage bis heute nicht anerkannt und gefragt, ob Trump die Wahl 2020 verloren hätte, sagte Vance: „Ich konzentriere mich auf die Zukunft“. Walz nannte diese Aussage eine „vernichtende Nicht-Antwort“.

Beide Lager feierten am Ende des Abends ihre jeweiligen Vizekandidaten. Wie wichtig der Schlagabtausch zwischen Vance und Walz letztendlich war, wird sich erst am 5. November zeigten. Klar ist, das Rennen um das Weiße Haus bleibt weiter eng.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.

Ihren Kommentar hier eingeben