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Verunsicherung in MumbaiPolitikermord im Slum

Auf offener Straße wird im westindischen Mumbai der Politiker Baba Siddique erschossen. Das schockiert die sonst sichere Metropole.

Baba Siddique war bekannt und populär – und am Schnauzbart stets zu erkennen Foto: Satish Bate/Hindustan Times/imago

Mumbai taz | Innerhalb einer Woche erlebte die westindische Metropole Mumbai zwei Staatsbegräbnisse. Das zweite galt dem Politiker Baba Ziauddin Siddique. Sein Tod versetzte die Stadt in Schockzustand: Am Samstagabend wurde der 66-jährige Muslim in einem Slum in der Nähe des Politikbüros seines Sohnes im Vorort Bandra-Ost erschossen. Drei Männer überraschten ihn, als er in seinen Wagen stieg. Im Krankenhaus seines einstigen Wahlkreises wurde er für tot erklärt.

Die Tat ereignete sich an einem Tag, an dem die Polizei wegen politischer Kundgebungen in Alarmbereitschaft war. Siddique wurde zudem von einem Sicherheitskommando begleitet. Trotzdem konnte der Mord nicht verhindert werden, was Fragen über die Sicherheitslage in Mumbai und dem Bundesstaat Maharashtra aufwirft. „Niemand konnte erwarten, dass so etwas einer Person mit Sicherheitskategorie Y passieren würde“, äußerte sich Filmemacher Ashoke Pandit bestürzt. „Die BJP-geführte Regierung muss den Menschen in Maharashtra erklären, warum sie es nicht geschafft hat, für Recht und Ordnung zu sorgen“, fordert der Politiker Clyde Crasto (NCP-SP). Mumbai galt bislang als eine der sichersten Städte Indiens.

Siddique pflegte enge Verbindungen zur glamourösen Filmwelt rund um Bollywood. Besonders beliebt waren seine Iftar-Partys, die nach dem Fastenbrechen stattfanden und Gäste wie Superstar Shah Rukh Khan und Wirt­schafts­ver­tre­te­r:in­nen anzogen. Umso überraschender ist seine Ermordung mitten in Mumbai.

Die Hinrichtung erinnert die ältere Generation an die dunkle Vergangenheit der Stadt, in der die Mafia allgegenwärtig war. (1993 und 1994 wurden etwa Politiker vom Unterweltsyndikat D-Company in Mumbai ermordet.) Diese war eigentlich Vergangenheit, seit Banden zumindest oberflächlich die Stadt räumen mussten, als die Polizei in den 1980er und 1990er Jahren aggressiv gegen sie vorging.

Die Gang eines inhaftierten Kriminellen reklamiert die Tat für sich

Diese Zeit erlebte auch Siddique mit, der ursprünglich aus dem armen Bundesstaat Bihar kommt. Als Student trat er dem Jugendflügel der Kongresspartei in Mumbai bei, dessen Vorsitzender er später werden sollte. Von 1999 bis 2014 saß er dreimal in Folge im Landesparlament von Maharashtra. Sein Sohn Zeeshan folgte ihm erfolgreich in die Politik. Berichten zufolge hatte der Ex-Minister Morddrohungen erhalten.

Im wirtschaftlich bedeutenden Maharashtra stehen Wahlen an. Siddiques Tod fällt nun besonders negativ auf die Regierung zurück, der Siddique erst vor Kurzem beigetreten war, als er sich der Splitterpartei Nationalist Congress (NCP-AP) anschloss, die in Koalition mit zwei weiteren Parteien regiert, darunter Narendra Modis BJP. Der lokale BJP-Innenminister versprach, die Täter zu bestrafen. Noch in der Nacht wurden zwei Schützen festgenommen. Parteikollegen sagen, der Mord dürfe nicht politisiert werden, die Opposition spricht von einem „Zusammenbruch von Verwaltung, Recht und Ordnung“.

Unterdessen reklamierte die Gang des inhaftierten Kriminellen Lawrence Bishnoi den Mord für sich, was die Polizei bestätigte. Wie kann es sein, dass ein Gangster, der in Modis Bundesstaat Gujarat einsitzt, prominente Morde orchestrieren könne, fragt die Politikerin Sagarika Ghose (TMC). Der Bish­noi-Gang werden auch Verbindungen zur Ermordung des Politikers und Rappers Sidhu Moosewala (Kongress-Partei) nachgesagt.

Bishnoi hatte in der Vergangenheit Morddrohungen gegen Siddiques Freund, den Filmstar Salman Khan, ausgesprochen. Vor seinem Haus wurden die Sicherheitsvorkehrungen erhöht. Bis jedoch wieder Normalität in Bandra und auch Mumbai einkehrt, wird es noch dauern.

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