Rechtsextreme Präsidentschaftskandidatin: Rumäniens kontraproduktives Verbot

Eine Rechtsextreme will Präsidentin des Landes werden. Das Verfassungsgericht hat ihr die Kandidatur verboten.

Eine blonde Frau hält eine Aufklapp-Ikone in der Hand in die Kamera. Sie ist aufgeklappt und zeigt Mutter Maria und Jesus.

Umstrittene Kandidatin Sosoaca bei einem Auftritt in Straßburg Foto: Johanna Geron/reuters

Das Urteil des rumänischen Verfassungsgerichts ist ein Skandal: Diana Șoșoacă, umstrittene Kandidatin der ultrarechten Partei SOS-Rumänien, darf nicht für das rumänische Präsidentschaftsamt kandidieren. In seiner Einseitigkeit öffnet das Urteil Tür und Tor für willkürliche Eingriffe in das Grundrecht, gewählt zu werden oder zu wählen.

In der Urteilsbegründung heißt es, die Kandidatin habe eine verfassungsfeindliche Haltung sowie eine Nato- und EU-skeptische Einstellung. Die rumänische Verfassung enthält aber keinerlei Paragraphen, die das verbietet. Die Verfassungsrichter scheinen zudem vergessen zu haben, dass nicht sie über die Zulassung der Kandidaten zu entscheiden haben, sondern einzig und allein die dafür zuständige Wahlbehörde. Die Feststellung verfassungs- und fremdenfeindlicher, antisemitischer oder rechtsextremer Straftaten einzelner Personen fallen in den Zuständigkeitsbereich der Staatsanwaltschaft.

Bislang haben aber die rumänischen Justizbehörden kaum Verfahren gegen Holocaustleugner, Antisemiten, Volksverhetzer eingeleitet, von denen es etliche auch in anderen Parteien gibt. Ebenso wenig gegen Parteilose, die in Medien Kriegsverbrecher, Faschisten, Rassisten regelmäßig als Vorbilder verherrlichen. Diana Șoșoacă betrachtet sich nun als Opfer und Märtyrerin eines korrupten Systems. Gegen das sie angetreten ist, um es, wie sie sagt, zu reformieren und von der „jüdischen Fremdherrschaft“ zu befreien. Der Machtmissbrauch des Verfassungsgerichts verschafft ihr politisches Kapital und wird demokratiefeindliche Kräfte in der rumänischen Gesellschaft nicht zum Schweigen bringen. Das Verfassungsgericht hat einen gefährlichen Präzedenzfall geschaffen.

Vorurteile gegen den Staat werden durch das Urteil nicht abgebaut, sondern vertieft. Das Urteil bestätigt die fixe Idee der Rechtsnationalisten, das Land sei ein Spielball in den Händen fremder Mächte. Um diesem Gedankengut entgegenzuwirken, wäre eine demokratische Auseinandersetzung nützlicher als zweifelhafte und kontraproduktive Verbote.

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William Totok, geb. in Groß-Komlosch (Rumänien); Studium der Germanistik und Rumänistik in Temeswar; Gründungsmitglied der „Aktionsgruppe Banat“ (1972–1975); politische Haft wegen „Verbreitung staatsfeindlicher Gedichte“ (1975–1976); lebt seit 1987 als freischaffender Schriftsteller und Publizist in Berlin und schreibt u.a. für die taz. Letzte Veröffentlichungen: „Zwischen Mythos und Verharmlosung. Über die kritische Vergangenheitsbewältigung, Ion Gavrilă Ogoranu und den bewaffneten, antikommunistischen Widerstand in Rumänien“, (Iaşi 2016, zusammen mit Elena-Irina Macovei), „... an den Fahnenstangen fault die Wut. Gedichte, (Ludwigsburg 2016).

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