Berliner Haushaltslücke: „Sie müssen nicht besorgt sein“

Schwarz-Rot behauptet, die Finanzmisere im Griff zu haben. Die Linksfraktion hingegen befürchtet, dass Berlin künftig nicht mehr funktionsfähig ist.

Das Bild zeigt Finanzsenator Stefan Evers von der CDU, wie er einen Regenschirm hält

Die Linksfraktion im Abgeordnetenhaus sieht die schwarz-rote Koalition und mit ihr ganz Berlin ungebremst auf den Abgrund zurasen Foto: David Young/dpa

Berlin taz | Sie sprechen alle Deutsch, sie geben vor, nicht nur über den gleichen, sondern denselben Haushalt zu reden. Und trotzdem wirkt nicht so, als würden die, die am Mittwoch im Abgeordnetenhaus über Berlins Finanzmisere diskutieren, einander verstehen. Für die schwarz-rote Koalition scheint es noch nicht einmal ein Desaster zu sein, drei Milliarden einsparen zu müssen. Für die Linksfraktion hingegen droht das Chaos. „Der Senat Wegner fährt mit 220 km/h auf eine Abbruchkante der Finanzen zu“, hat sie in einem Analysepapier formuliert.

Grüne wie Linkspartei fordern seit Monaten mehr Transparenz bei dem Versuch, aus dem im Dezember beschlossenen Haushalt für 2024 und 2025 besagte drei Milliarden Euro rauszustreichen. „Hinterzimmerpolitik“ werfen sie dem Senat vor. Der kontert damit, es sei ein völlig normales Verfahren, die Dinge erst mal koalitionsintern zu klären, um nicht für Unsicherheit zu sorgen. Das sei nicht anders gewesen, als Linkspartei und Grüne bis Frühjahr 2023 mitregierten, versicherte vorige Woche etwa Bausenator Christian Gaebler (SPD).

An diesem Mittwoch haben die beiden Oppositionsfraktionen im Hauptausschuss des Parlaments eine Besprechung ansetzen lassen, um doch noch mehr Klarheit zu schaffen. Sie sehen das mit der Verunsicherung genau anders herum als CDU und SPD: Nicht zu wissen, ob es ab dem 1. Januar überhaupt wie im Haushaltsplan für 2025 beschlossen Geld für sie gibt, beunruhige viele Organisationen und Einrichtungen zutiefst. Denn Finanzsenator Stefan Evers (CDU) hat jüngst per Rundschreiben seine Senatskollegen angewiesen, keine Finanzierungsbescheide mehr zu versenden oder sonst wie offiziell Geld zuzusagen.

Doch während Tobias Schulze, der Chef der Linksfraktion, am Vormittag noch befürchtete, „dass die Stadt in den nächsten Jahren nicht mehr funktionsfähig ist“, gibt sich Schwarz-Rot in der Ausschusssitzung tiefenentspannt. „Sie müssen nicht besorgt sein“, ist vom langjährigen Abgeordneten Heiko Melzer zu hören, einem der führenden Leute bei der CDU.

Entscheidung im November

Wie sich die drei Milliarden tatsächlich aus den für 2025 eingeplanten rund 40 Milliarden heraussparen lassen, von denen mindestens ein Drittel für Gehälter und Mieten fest gebunden ist, bleibt auch an diesem Tag offen. Binnen eines Monats aber, so das Versprechen nun Parlament, will sich Schwarz-Rot geeinigt haben und sein Konzept im November öffentlich machen.

Die Koalition gibt immerhin zu erkennen, dass sie einen kleineren Teil nicht kürzen, sondern durch neue Einnahmen zusammenbekommen will. Darauf drängen auch Linkspartei und Grüne – der Job von Finanzsenator Evers dürfe sich nicht aufs Kürzen beschränken, er müsse auch für Einnahmen sorgen, fordern sie.

Die Linke sieht etwa Potenzial bei der Grunderwerbs-, der Übernachtungs- und der Zweitwohnungssteuer. Aus ihrer Sicht bräuchte man nur eine Milliarde einzusparen, je eine weitere könnte demnach über zusätzliche Einnahmen und eine besondere Kreditform kommen, die nicht unter die Schuldenbremse fällt.

Was auch in dieser Sitzung zu erleben ist: dass sich beide Seiten die Verantwortung für das Milliardendefizit zuschieben. „Sie haben’s verzapft, mit falschen strukturellen Entscheidungen“, sagt SPD-Chefhaushälter Torsten Schneider Richtung Grüne und Linkspartei. Was er dabei nicht sagt: dass er selbst während der erst vor knapp 18 Monaten zu Ende gegangenen rot-grün-roten Koalition auch Chefhaushälter und ein wesentlicher Macher war.

Schwarz-Rot erhöhte Ausgaben

Die Opposition erinnert hingegen daran, dass die Koalition die Ausgaben selbst erhöhte. Erst vor noch nicht mal elf Monaten einigte sich Schwarz-Rot auf zusätzliche 800 Millionen Euro – zwei Monate später konstatierte CDU-Finanzsenator Evers dann als Gast einer SPD-Klausurtagung ein Haushaltsloch von drei bis fünf Milliarden.

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