Nach dem Fährunglück in der DR Kongo: Keine Totenruhe

Eine Woche, nachdem eine volle Fähre vor dem Hafen von Goma sank, streiten Behörden und Hinterbliebene. Über 500 Menschen werden noch vermisst.

Menschen stehen an einer Hafenmauer

In Goma nach dem Fährunglück: Hunderte von Menschen haben Angehörige verloren Foto: Moses Sawasawa/ap

Berlin taz | Es sollte ein Tag der Trauer werden, es wurde ein Tag des Protests. Mit Lavasteinen und brennenden Autoreifen legten junge Männer am Mittwoch die Millionenstadt Goma im Osten der Demokratischen Republik Kongo lahm, als dort die ersten Opfer des Fährunglücks vom 3. Oktober offiziell beigesetzt werden sollten. Wütende Hinterbliebene versammelten sich vor der städtischen Leichenhalle und verlangten die Herausgabe der Toten, um sie im Familienkreis zu beerdigen.

Das Fährschiff „MV Merdi“ war am vergangenen Donnerstag bei der Einfahrt in den Hafen von Goma in stürmischen Gewässern umgekippt und sofort gesunken. Es kam aus der Kleinstadt Minova am Westufer des Kivu-Sees und hatte nach Angaben von Überlebenden mehrere Hundert Menschen an Bord. Eine gigantische Rettungsaktion folgte – das Unglück ereignete sich in Sichtweite des Hafens – aber Rettungskräfte bargen nach offiziellen Angaben nur 34 Tote und 80 Überlebende.

Da stellt sich die Frage, ob nicht der Großteil der Passagiere einfach verschollen ist. Schon am Tag des Unglücks war eigentlich von 78 Toten die Rede gewesen. Die Bergungsarbeiten sind mittlerweile eingestellt, aber seit Tagen gehen in Goma Gerüchte um, wonach es viel mehr Leichen gibt, die aber von den Behörden zurückgehalten werden. Als Grund wird vermutet: Der Staat hat zugesagt, die Hinterbliebenen zu entschädigen – und wolle daher deren offizielle Zahl möglichst klein halten.

Eine weitere Mutmaßung: Hunderte Tote befinden sich noch im gesunkenen Schiffswrack. 623 Menschen seien mittlerweile als Passagiere des Schiffes identifiziert, sagte am Mittwoch Néhémie Habajuwe, Sprecher der Überlebenden. Er selbst habe 27 Angehörige verloren.

Einem Bericht zufolge vermissen allein in der Gemeinde Buzi außerhalb von Minova 500 Familien Angehörige unter den Schiffspassagieren. Nur 30 Familien insgesamt sind aber in den amtlichen Planungen, die auf 34 Toten basieren, als Hinterbliebene anerkannt.

Das Schiff liegt in 200 Metern Tiefe

Alle Toten zu bergen, wäre schwierig. Das gesunkene Schiff liegt jetzt in geschätzt 200 Metern Tiefe – der Kivu-See fällt an seinen Ufern steil ab – und dafür fehlt in Goma die nötige Ausrüstung. Dazu kommt: Die Gewässer dieses Sees bergen erhebliche Mengen Methangas und Kohlendioxid aus vulkanischen Quellen am Boden. Das Gas ruht ab rund 150 Meter Tiefe, je tiefer, desto konzentrierter. Wenn man es stört, steigt es an die Oberfläche und kann dann entweder explodieren oder weiträumige Erstickungen verursachen.

Erschwerend kommt hinzu, dass Goma die Hauptstadt der Provinz Nord-Kivu ist, die seit 2021 unter Kriegsrecht steht und vom Militär regiert wird, aber Minova in der Nachbarprovinz Süd-Kivu liegt, das eine gewählte zivile Provinzregierung hat.

Süd-Kivus Provinzgouverneur Jean-Jacques Purusi reiste nach Goma für die Trauerfeiern, und ihm gelang es, die Hinterbliebenen zu beruhigen: Vor den Toren des städtischen Krankenhauses sicherte er ihnen zu, sie dürften ihre Toten abholen. Eigentlich wäre die Militärregierung von Nord-Kivu zuständig.

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