Regierung in Frankreich: Feilschen bis zum Schluss

Die Mitte-Rechts-Koalition aus Macronisten und Konservativen unter Michel Barnier steht. Das Ergebnis soll „vor Sonntag“ bekannt gegeben werden.

Der französiche Präsident Emmanuel Macron schüttelt Michel Barnier dei Hand

Der designierte Premierminister Michel Barnier mit Staatspräsident Emmanuel Macron (Archivfoto 2020) Foto: Ludovic Marin/ap

Paris taz | Die Geduld der Franzosen wird noch einmal strapaziert. Am Donnerstag sollte es so weit sein: Der designierte Premierminister Michel Barnier ging am frühen Abend zu Staatspräsident Emmanuel Macron, um ihm seine Liste der zukünftigen Regierungsmitglieder zu unterbreiten. Doch anders als erwartet, wurde die Zusammensetzung nicht sofort offiziell bestätigt. Barnier bittet erneut um Nachsicht bei der wartenden Nation.

Aufgrund von Indiskretionen zirkulieren längst die Namen mehrerer Politiker aus den Parteien der Mitte-Rechts-Koalition, die in diesem Kabinett eine wichtige Rolle spielen sollen. Andere wiederum verkünden öffentlich, dass sie leer ausgegangen seien oder von sich aus einen angebotenen Posten abgelehnt hätten. So sagte LR-Sprecher Laurent Wauquiez, er habe auf das Wirtschafts- und Finanzministerium verzichtet.

Vom linken Flügel der Macronisten dagegen wurde bereits protestiert, Barnier wolle offenbar auch „ultrakonservativen“ Parteikollegen, die namentlich gegen die Homo-Ehe demonstrierten Posten zuschanzen. Damit aber rutsche die Koalition zu weit nach rechts. Laut dem Sender BFMTV habe auch Macron aus diesem Grund ein Veto gegen die von Barnier vorgeschlagene Nominierung einer derart reaktionär engagierten Konservativen als Familienministerin eingelegt.

Am Freitag hatten sich die Macronisten – Ensemble pour la République (EPR), Horizons (H), Les Démocrates (MoDem) – mit den Konservativen der Partei Les Républicains (LR), der auch Barnier angehört, auf eine Koalition und die jeweilige Zahl der Ministerien geeinigt. Insgesamt soll die kommende Regierung 38 Mitglieder (Minister, beigeordnete Minister und Staatssekretäre) zählen.

Liste zurückgewiesen

Von den wichtigsten Ministerien sollen sieben an EPR gehen, zwei an das MoDem, eins an H (der Partei des ehemaligen Premiers Edouard Philippe), drei an LR, eins an einen Zentristen, eins an die Gruppe „diverse Rechte“ und eins an einen „diversen Linken“. Die Namen und die Zuteilung der ministeriellen „Portefeuilles“ aber blieb geheim.

Dass die Zusammensetzung immer noch nicht definitiv und offiziell ist, kann mehrere Gründe haben. Womöglich hat Barniers Vorschlag dem Präsidenten nicht gefallen, er hatte in der Woche bereits zwei Mal eine vorgelegte Liste zurückgewiesen! Oder die zuständige Aufsichtsbehörde braucht noch Zeit mit ihrer Überprüfung der „reinen Weste“ der Anwärter auf einen Ministerposten. Nicht ganz auszuschließen ist es auch, dass Macron, in der Hoffnung, so eine positive Erwartung in der Bevölkerung zu schaffen, weiter auf Zeit spielen will.

In Wirklichkeit wird die Geduldsprobe langsam peinlich und erweckt den Eindruck, dass die personellen Fragen und die damit verbundenen Ansprüche der Parteien unlösbare Probleme darstellen. In einigen genervten Kommentaren ist von einem „Dilettantismus“ der Staatsführung die Rede.

Auch im europäischen Ausland wird mit einem gewissen Unbehagen verfolgt, wie sehr Macron sich abmüht, nach der Niederlage bei den vorzeitigen Parlamentswahlen eine Regierung aufzustellen, die eventuell mehrheitsfähig wäre. Es ist eine schier unmögliche Aufgabe, denn die jetzt gebildete Mitte-Rechts-Koalition kann sich in der Nationalversammlung bestenfalls auf 233 von 577 Sitzen stützen.

Ambitionen mäßigen

Ein Streitpunkt schien vor allem das Gewicht von Barniers Partei LR in der Regierung zu sein. Die von Ex-Premier Gabriel Attal angeführten Macronisten wiesen darauf hin, dass LR zusammen mit den alliierten Zentristen der UDI nur gerade über 66 Abgeordnetensitze in der Nationalversammlung verfügt und deshalb ihre Ambitionen etwas mäßigen müsste. Denn sie habe ja schon den Posten des Regierungschefs bekommen.

Unklar war am Freitagmorgen weiterhin, ob es unabhängige Persönlichkeiten in Barniers Kabinett haben wird und um wen es sich beim mehrfach erwähnten „diversen Linken“ handeln könnte. Sämtliche Parteien der linken Wahlunion Nouveau Front Populaire und ihre wichtigsten Exponenten hatten dagegen jede offizielle oder punktuelle Regierungszusammenarbeit ausgeschlossen.

Trotzdem gab es Spekulationen über die mögliche Nominierung von linken „Has-been“-Politikern mit Regierungserfahrung wie Arnaud Montebourg oder Ségolène Royal. Dessen ungeachtet will die NFP die kommende Regierung ohnehin bei der erstbesten Gelegenheit bei einer Vertrauensabstimmung zu Fall bringen.

Die 126 Rechtspopulisten des Rassemblement National von Marine Le Pen bleiben in der Nationalversammlung in der Opposition, sie wollen jedoch Barnier und seine Regierung vorerst unter gewissen Bedingungen gewähren lassen.

Dorn im Auge

Zu den von Le Pen genannten Bedingungen gehörte, dass gewisse Macronisten wie Ex-Justizminister Eric Dupond-Moretti oder der Konservative Xavier Bertrand, der ihnen als Gegner speziell ein Dorn im Auge sein soll, nicht in der neuen Regierung sitzen. Aufgrund dieser expliziten Kriterien des RN hängt die neue Regierung nach Ansicht der Linken von der Gnade der Rechtspopulisten ab.

Insgesamt war das Feilschen um die Posten in der neuen Regierung vom Anfang bis zum jetzt absehbaren Endergebnis eine mühselige Angelegenheit. Der Präsident hat sieben Wochen gebraucht, um einen Premierminister zu ernennen. Letzterer hatte zwei Wochen danach immer noch keine präsentable Liste der Regierungsmitglieder. Schon im voraus musste Barnier ankündigen, das die Parlamentsdebatte über den Staatshaushalt 2025 (zum 1. Mal in der Nachkriegsgeschichte!) um mindestens eine Woche verschoben werden muss.

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