Bremen richtet Abschiebezentrale ein: Ausländer raus, jetzt mit Effizienz

Eine „Zentralstelle für Rückführungen“ soll die niedrige Abschiebequote in Bremen erhöhen – das könnte mehr Abschiebehaft bedeuten.

Ulrich Mäurer am Rednerpult bei einer Einbürgerungsfeier im Bremer Rathaus

Sieht Migration oft als Problem: Ulrich Mäurer, hier bei einer Einbürgerungsfeier im Bremer Rathaus Foto: Georg Wendt/dpa

Bremen taz | „Allgemeines Rückführungsmanagement“ – etwas verklausuliert benennt das Bremer Innenressort die Aufgabe, die im nun verstärkten Referat 24 der Behörde angesiedelt wird. Gemeint sind Abschiebungen.

Schon seit 2018 beschäftigt sich das Referat 24 damit, allerdings ist es bisher nur für Straftäter und Gefährder zuständig. Die Abschiebungen und Ausweisungen all jener, die sich nichts zuschulden haben kommen lassen, waren bisher in Bremen Sache des Migrationsamtes und in Bremerhaven der Ausländerbehörde.

Doch die hatten in der Vergangenheit wenig Erfolge vorzuweisen: Um 58 Abschiebungen hatten sich die beiden Behörden im ersten Quartal des Jahres bemüht, aber nur in vier Fällen wurde tatsächlich jemand abgeschoben. 54 versuchte Abschiebungen scheiterten. Das Referat 24 war erfolgreicher: Bei 15 Versuchen gab es am Ende 11 Abschiebungen.

In vergangenen Jahren war das Verhältnis ähnlich gewesen: Auch für das Jahr 2023 stehen im Referat 24 43 Versuche 27 Abschiebungen gegenüber; dagegen fanden von 90 Versuchen der Ausländerbehörden nur sechs tatsächlich statt, 84 scheiterten.

Abschiebungen aus der Haft heraus gelingen

Diese Effizienz will der Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) nun auch für alle anderen Ausreisepflichtigen nutzen. Angekündigt wurde die Zusammenlegung der Einheiten erstmals im Mai bei einer Sitzung der Bremer Innendeputation. Im Interview mit dem Weser Kurier bekräftigte der Innensenator nun den Aufbau der spezialisierten Einheit.

Bei den Koalitionspartnern stößt das auf geteiltes Echo. Die Grünen zeigen sich überzeugt von der Idee. „Es geht einfach um eine Prozessoptimierung“, sagt der innenpolitische Sprecher der Bremer Grünen, Michael Labetzke. Behörden zu einer Einheit zusammenzufassen, sei einfach sinnvoll, „wenn es Vollzugsdefizite gibt“. Schließlich, so Labetzke, werde die Tat von Solingen auch auf Verwaltungsversagen zurückgeführt.

Doch geht es tatsächlich nur um effizientere Verwaltungsabläufe? In der Vorlage für die Sitzung der Innendeputation im Mai werden Gründe für gescheiterte Abschiebungen aufgezählt. Zu den vorübergehenden Gründen gehören das Nichtantreffen der Person, ein unbekannter Aufenthaltsort, medizinische Gründe oder auch die Stornierung des Fluges durch die Fluggesellschaft.

Zu den langfristigen Gründen gehören eine ungeklärte Identität oder fehlende Rücknahmebereitschaft der Herkunftsländer, aber auch gerichtliche Entscheidungen oder unzureichende soziale Sicherheit im Zielstaat.

Nur an wenigen dieser Gründe können effizientere Behördenstrukturen etwas ändern. Die höhere Zahl an gelungenen Abschiebungen durch das Referat 24 liegt denn auch vor allem daran, dass es dort um Straftäter geht: Die waren meist schon vorher in Haft und somit leicht anzutreffen.

„Bremen muss nicht auch drei Schritte nach rehts“

Im Mai verleitete Mäurer das zu der Aussage „Wir müssen versuchen, sicherzustellen, dass ein großer Teil der Betroffenen rechtzeitig in Abschiebehaft landet.“ Vornehmlich junge Männer, die nicht freiwillig ausreisen wollten, könnte das treffen.

Die Linke hatte sich bereits im Mai zum Thema Abschiebehaft geäußert – damit sei eine Grenze überschritten. „Wir brauchen keine neue Abschiebeeinheit. Und wir brauchen auch keine Ausweitung der Abschiebehaft, die damit einhergehen könnte“, sagt heute Dariush Hassanpour, fluchtpolitischer Sprecher der Bürgerschaftsfraktion. „In unserem Koalitionsvertrag steht, dass wir ein humanitäres Aufenthaltsrecht in Bremen wollen“, so Hassanpour weiter. „Nur weil der Bund drei Schritte nach rechts rückt, muss Bremen das nicht auch tun“

Seitdem propagiert das Innenressort zwar weiterhin die neu verstärkte Abschiebeeinheit, nicht aber die verstärkte Abschiebehaft, die vermutlich den eigentlichen Unterschied ausmachen würde. Auf Nachfrage gibt die Behörde an, dass die derzeit 17 Bremer Abschiebehaftplätze bei der Polizei „nach jetziger Einschätzung“ ausreichend sein dürften.

Die generelle Entscheidung, Abschiebungen stärker zu forcieren, könnte sich auch aus Mäurers negativer Sicht auf Migration begründen. Anders als die Bürgerschaftsabgeordneten seiner Partei oder der Koalitionsfraktionen stellte der SPD-Senator in der Bürgerschaftsdebatte vom September die „ungesteuerte Zuwanderung“ als großes Problem dar.

Der Bundesrepublik fehle es an Einfluss, wie viele Menschen nach Deutschland kämen, und aus welchen Ländern. Das „Problem der Migration“ zeige sich bei den Themen Wohnraum, Kitas, Schulen, Arbeitsmarkt und in der Kriminalität.

Nur ein Bruchteil kommt für Abschiebungen in Frage

Lösen oder auch nur mildern könnte die neue Abschiebeeinheit diese Themen übrigens auch bei größtem Erfolg nicht: In den vergangenen Jahren gab es jeweils nur zwischen 40 und 300 versuchte Abschiebungen durch die Behörden. Selbst wenn jede davon gelänge: Allein im vergangenen Jahr haben sich 8.727 Menschen als Geflüchtete in Bremen registriert.

Eine etwas höhere Zahl an Menschen verlässt Bremen über die „freiwillige Ausreise“, bei der Geflüchtete mit Geld und anderen Anreizen dazu gebracht werden sollen, freiwillig in ihr Herkunftsland zurückzukehren. 2022 entschieden sich 821 Menschen dafür, 2023 sogar 1.358. Auch in Zukunft soll diese freiwillige Ausreise den Löwenanteil ausmachen.

Viele aber, darauf weist auch die Behörde hin, werden schlicht ein Teil von Bremen, nutzen wie alle anderen Wohnraum, Kitaplätze und Sozialleistungen, nehmen aber auch Jobs an, zahlen Steuern – und manche werden sogar eingebürgert.

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