Rückzieher beim Entwaldungsschutz

Die EU verschiebt das Gesetz zur Schonung der Regenwälder um ein Jahr auf Ende 2025. Sie will Unternehmen mehr Zeit geben, sich auf die neuen Regeln einzustellen

Rodung von kostbarem Regenwald: Auch für die EU hat der Schutz keine Priorität mehr Foto: imago

Aus Brüssel Eric Bonse

Mit dem Schutz des Regenwaldes hat es die EU plötzlich nicht mehr eilig. Nach monatelangen Protesten von Bauern und Kaffeeröstern in Deutschland, aber auch von Politikern und Konzernen aus Lateinamerika, hat die EU-Kommission in Brüssel vorgeschlagen, die Umsetzung der EU-Entwaldungsverordnung um ein Jahr aufzu­schieben.

Wenn es nach dem Willen von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) geht, müssen große Unternehmen nun erst Ende 2025 und Kleinunternehmen erst ab Juni 2026 nachweisen, dass ihre Lieferketten „entwaldungsfrei“ sind und nicht zum Schwund von Regenwäldern beitragen. Ursprünglich sollte das Gesetz bereits ab Januar 2025 gelten.

Die Entwaldungsverordnung sieht vor, dass Produkte wie Kaffee, Holz, Soja, Kakao und Palmöl in der EU nur noch unter der Bedingung verkauft werden dürfen, dass dafür keine Wälder gerodet wurden. Damit soll auch die Abholzung des Regenwaldes etwa im südamerikanischen Amazonasgebiet gebremst werden.

Mit der Vertagung in letzter Minute beugt sich von der Leyen dem Druck der Lobbyisten, aber auch ihrer eigenen Parteifreunde aus der konservativen Europäischen Volkspartei. EVP-Chef Manfred Weber trommelt bereits seit Monaten für eine Verschiebung.

Auf der Website der EU-Kommission stellt es sich jedoch ganz anders dar. Dort ist von einem „stärkeren Rahmen für die internationale Zusammenarbeit“ die Rede. Es gehe darum, globale Interessenträger, Mitgliedstaaten und Drittländer zu unterstützen. Das klingt beschönigend, hat jedoch einen wahren Kern: Die EU nimmt auch Rücksicht auf die südamerikanischen Mercosur-Staaten und die USA.

Länder wie Argentinien oder Brasilien hatten gewarnt, dass die EU mit ihren Waldschutzplänen massiv in die Wirtschaft eingreife, viele Unternehmen jedoch nicht ausreichend vorbereitet seien. Außerdem gefährde die EU-Verordnung den ohnehin wackligen Abschluss eines Freihandelsabkommens mit den Mercosur-Staaten.

Die EU-Kommission erkenne an, dass „mehrere globale Partner […]wiederholt Bedenken hinsichtlich ihres Vorbereitungsstands geäußert haben“, schreibt die Behörde. Deshalb werde die Übergangsfrist von zunächst 18 Monaten noch einmal verlängert. Das EU-Parlament und der Ministerrat müssen dem Vorschlag noch zu­stimmen.

Es ist nicht das erste Mal, dass Ursula von der Leyen einen Rückzieher macht. Schon vor der Europawahl im Juni wurde ein EU-Gesetz zur Renaturierung entschärft – ebenfalls auf Druck der EVP. Nach der Wahl kündigte von der Leyen dann an, dass der „European Green Deal“ künftig in einem „Clean Industrial Deal“ aufgehen werde – der Fokus liegt auf der Industrie.

Entsprechend kritisch fällt das Echo bei Umweltpolitikern und NGOs aus. „EU opfert Wälder für Mercosur-Pakt und mehr klimaschädlichen Handel“, heißt es bei ATTAC Österreich. „Diese Entscheidung untergräbt eine der wichtigsten Errungenschaften des Europäischen Green Deal“, bemängelt der WWF.

Kritik kommt auch aus dem Europaparlament. Die Verschiebung sei „ein Trauerspiel“, so die grüne Europaabgeordnete Anna Cavazzini. Die Verschiebung geschehe im Kontext der größten Waldvernichtung der letzten Jahre, mahnt die handelspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion.

Mehr Verständnis zeigt ihr Parteifreund Martin Häusling. Der grüne Agrarexperte sprach von einer „vernünftigen Entscheidung“. Die EU-Kommission habe es versäumt, die zur Umsetzung nötigen Dokumente vorzulegen und müsse nun ­liefern.