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Neues Parlament in SachsenDierks wird Landtagspräsident

Bei der ersten Sitzung des sächsischen Landtags zeigt sich: CDU, BSW und SPD stimmen nicht gemeinsam. Ein AfD-Eklat wie in Thüringen bleibt aber aus.

Michael Kretschmer (CDU) möchte wieder Ministerpräsident werden. Doch wie zuverlässig stimmten SPD und BSW für ihn? Foto: Robert Michael/dpa

Dresden taz | Während seiner Antrittsrede am Redepult raschelte der Zettel von Alexander Dierks, ansonsten war es still. Gerade hatten 97 von 119 anwesenden Landtagsabgeordneten bei der konstituierenden Sitzung in Sachsen den CDU-Politiker zu ihrem Präsidenten gewählt. Er sei ein „demokratischer Überzeugungstäter“, sagte der 36-jährige Dierks nach der Wahl am Dienstag. Einen so jungen Landtagspräsidenten hatte das Parlament in Dresden noch nie.

Ebenso neu: Nach der Landtagswahl am 1. September sitzen nun zum ersten Mal sechs Fraktionen und ein fraktionsloser Abgeordneter im Parlament. Ihr erstes Zusammentreffen verlief weitestgehend planmäßig, doch nicht ohne Überraschung.

Es werden keine einfachen Jahre, aber es können spannende Jahre werden

Alexander Dierks, CDU-Landtagspräsident

Bei der Antrittsrede von Landtagspräsident Alexander Dierks war das noch nicht abzusehen. Dierks repräsentiert das Parlament nach außen und leitet die Sitzungen der nächsten fünf Jahre. Gerade im Kontext des AfD-Eklats bei der Konstituierung des Landtags im Nachbarbundesland Thüringen war auffällig, dass er in seiner Rede den Zusammenhalt betonte. Mit ausholenden Gesten plädierte er für einen demokratischen Umgang. „Wir sind Mitbewerber, zuweilen auch Gegner, aber niemals Feinde“, betonte er. Die Abgeordneten seien ein Vorbild für die gesamte Gesellschaft. „Es werden keine einfachen Jahre, aber es können spannende Jahre werden, die den Freistaat voranbringen.“

Warum es schwer werden könnte, zeigte sich ein paar Minuten später, als es um die Stell­ver­tre­te­r:in­nen von Dierks ging. Der Landtagspräsident übernahm dabei schon die Sitzungsleitung und konnte zunächst verkünden: Seine Parteifreundin Ines Saborowski wurde problemlos mit 95 von 119 Stimmen als 1. Vizepräsidentin gewählt. Ebenso bekam auch der AfD-Kandidat André Wendt genug Stimmen. Dabei wählten ihn mehr Abgeordnete als der AfD-Fraktion eigentlich angehören. Wie in der vergangenen Legislatur stellt die rechtsextreme Partei die zweitgrößte Fraktion. Doch waren es da zuletzt 34 AfD-Abgeordnete, sind es nun 40. Wendt bekam in der ersten Abstimmung 84 Ja-Stimmen zum 2. Vizepräsidenten des Parlaments.

Vierter Vize erst im dritten Anlauf

Doch für die nächsten Kandidaten kam es anders. Für das Amt des 3. Vizepräsidenten trat Jörg Scheibe vom Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) an. Seine Partei führt derzeit zusammen mit CDU und SPD „Kennenlerngespräche“. Zusammen hätten die drei Parteien mit 66 Stimmen die Mehrheit im Parlament und könnten die Landesregierung bilden.

Gemeinsam hatten sie zu Beginn der konstituierenden Sitzung durchgesetzt, dass es einen vierten Vizepräsidenten geben sollte. Ansonsten wäre die SPD ohne Amt ausgegangen. SPD-Fraktionschefs Dirk Panter begründete: Auch die „progressive Seite“ des Parlaments sollte im Präsidium repräsentiert sein. Kritik kam von den Grünen, den Linken und der AfD. Das sei nur teuer, vier Vizepräsidenten seien beim kleinen Landtag in Sachsen eigentlich nicht nötig.

Vielleicht war das auch der Grund, warum BSW-Kandidat Scheibe im ersten Wahlgang nur 59 Stimmen bekam und damit durchfiel. Als Dierks das Ergebnis durchsagte, zog der BSW-Politiker erst erstaunt eine Augenbraue hoch, dann die Mundwinkel nach unten und schaute aus dem Fenster. Direkt im Anschluss erging es dem Kandidaten für das Amt des 4. Vizepräsidenten nicht anders: Albrecht Pallas (SPD) bekam nur 48 Stimmen und fiel ebenfalls durch.

Nach einer kurzen Pause bekam Scheibe im zweiten Anlauf die Stimmmehrheit und war damit gewählt. Für Pallas reichte es erst im dritten Anlauf, in dem er 60 Stimmen für sich und 51 gegen sich bekam. Pallas nahm das Ergebnis regungslos entgegen, während sich seine Parteikollegin Petra Köpping lächelnd zu ihm umdrehte. Wie Dierks bereits gesagt hatte: Es könnten spannende Jahre werden.

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12 Kommentare

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  • "Das sei nur teuer, vier Vizepräsidenten seien beim kleinen Landtag in Sachsen eigentlich nicht nötig."

    Interessant. Was kostet eigentlich so ein Vizepräsident? Ich hoffe doch nicht, dass auf das ohnehin üppige Salär der Abgeordneten auch noch ein fetter Batzen oben drauf kommt, nur weil der/die Vize dann auch noch Aufgaben im Parlament hat?!

    Vermutlich ein typisches AfD Störmanöver.

    • @Jalella:

      Ein Vizepräsident in Sachsen kostet ca. € 950.000 im Jahr (mehr Geld, mehr Mitarbeiter, Dienstfahrzeug etc)

  • Dass in Sachsen, in einer demokratischen Abstimmung auch demokratisch ein AfD Kandidat gewählt wurde, ist gut und richtig. Die AFD ist die zweitstärkste Fraktion und damit im Landtagspräsidium vertreten. Ob es ein viertes Mitglied brauchte, halte ich für zweifelhaft. Dass das nicht so glatt über die Bühne ging, ist auch ein gutes Zeichen. So geht Demokratie und nicht anders.

    • @Mouse:

      Hab mir mal ihre Kommentare durchgelesen. Sie sind immerhin konsequent: immer auf der zwischen Seite.

  • Man kann also davon ausgehen, dass der sächsische Landtag bis über die AfD-Fraktion hinaus rechtsextrem vergiftet und verfault ist. AfD wählen, aber SPD nicht.

    Widerlich.

    Boykottiert dieses rechtsbraun versiffte Land.

    • @Suryo:

      "...Boykottiert dieses rechtsbraun versiffte Land...."

      Ich denke, Sie vermisst auch niemand in Sachsen. Vielleicht sind einige Menschen einfach etwas demokratischer unterwegs als Sie? Und das kann man sein und die Afd trotzden abstoßend finden.

      • @Bommel:

        Dass mehr Abgeordnete rechtsextrem wählen als SPD, halten Sie für demokratisch? Dass ein Rechtsextremer gewählt wird, ein Sozialdemokrat aber nicht, ist für Sie nicht Zeichen, dass die Demokratie in Sachsen stirbt?

        Und Sie werfen mir vor, ich sei undemokratisch? Gehts eigentlich noch?

  • 6G
    611245 (Profil gelöscht)

    Wir stellen fest, dass der AFD Kandidat im ersten Wahlgang durchging. Mit nur unwesentlich weniger Stimmen als der CDUler.

    D.h., Linke, Grüne und SPD haben ihn gewählt.

    • @611245 (Profil gelöscht):

      Oder CDUler? Halte ich bei der Nähe der Ost-CDUen zur AfD für deutlich wahrscheinlicher. Linke, Grüne und SPD haben ihn garantiert nicht gewählt.

      Aber spannend, gerade nur auf die Idee zu kommen und nicht auf das Naheliegende.

      • 6G
        611245 (Profil gelöscht)
        @Jalella:

        Nur CDUler zusätzlich reichen nicht.



        Kann natürlich auch BSW sein.



        Aber schon in Thüringen hat Ramelow seinerzeit nen AFD Vize gewählt und es öffentlich bekannt.

    • @611245 (Profil gelöscht):

      Steile These. CDU und AfD haben zusammen 81 Stimmen. Da fehlen noch drei - fragen Sie doch mal beim neuen Personenkult nach.

    • 6G
      611245 (Profil gelöscht)
      @611245 (Profil gelöscht):

      Hab mal nachgeschaut. CDU, SPD und BSW haben im Landtag zusammen 66 Mandate. Scheibe und Pallas hätten somit in der ersten Wahlrunde durchkommen müssen, wenn die CDU, BSW und SPD geschlossen abgestimmt hätten.