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Aserbaidschanische OppositionAktivist stirbt nach Messerangriff

Der im französischen Exil lebende Menschenrechtler Vidadi Isgandarli wird erneut Opfer eines Anschlags. Die Tat könnte politisch motiviert sein.

Gute Bühne für den autoritären Präsidenten Ilham Alijew: Aserbaidschan richtet im November 2024 die UN-Klimakonfenz aus Foto: Sergei Grits/ap

Berlin taz | Der Kampf von Vidadi Isgandarli war vergeblich: Am Dienstagmittag ist der aserbaidschanische Menschenrechtsaktivist auf der Intensivstation eines Krankenhauses in der ostfranzösischen Stadt Mulhouse gestorben. Das berichtet die nichtstaatliche aserbaidschanische Nachrichtenagentur Turan unter Berufung auf den Bruder des Toten. Demnach sei Vidadi Isgandarli schweren Stichverletzungen erlegen, ohne das Bewusstsein wieder erlangt zu haben.

Am frühen Sonntagmorgen waren drei maskierte Unbekannte in die Wohnung des Aktivisten in Mulhouse durch ein Fenster eingedrungen. Einer von ihnen soll 24-mal auf Isgandarli eingestochen haben, während die beiden anderen die Wohnungstür absicherten.

Das Opfer soll sich zur Wehr gesetzt haben, weswegen er die meisten Verletzungen an seinem Arm erlitten habe, von dem Messer jedoch auch am Kopf getroffen worden sei. Dennoch sei es ihm noch gelungen, die Angreifer in die Flucht zu schlagen und die Polizei zu verständigen. Die erste Nachricht von dem Vorfall hatte der aserbaidschanische Investigativjournalist Afgan Mukh­tarli über Facebook verbreitet.

2010 war Isgandarli als unabhängiger Kandidat bei den aserbaidschanischen Parlamentswahlen angetreten. Am Tag der Abstimmung soll er gefälschte Stimmzettel gestohlen haben, um Manipulationen vorzubeugen. Ein Jahr später wurde er bei einer Protestkundgebung festgenommen und zu drei Jahren Haft verurteilt.

Frei durch Amnestie

Im Dezember 2012 kam er im Rahmen einer Amnestie des autoritären Staatspräsidenten Ilham Alijew auf freien Fuß und suchte Zuflucht in Frankreich. Dort setzte er seine Kritik an dem Regime in Baku sowie seine oppositionelle Tätigkeit fort.

Angaben der Nachrichtenagentur Turan zufolge war Isgandarli bereits vor zwei Jahren in seiner Wohnung in Mulhouse Opfer eines tätlichen Übergriffs geworden. Damals war die Polizei zu dem Ergebnis gekommen, dass lokale kriminelle Gruppen hinter dem Verbrechen gesteckt hätten. Isgandarli selbst hatte den Verdacht geäußert, dass Behörden in Aserbaidschan den Befehl für die Tat erteilt hätten.

Das ist nicht abwegig. Das Regime in Baku geht seit Monaten mit brutaler Härte gegen Ver­tre­te­r*in­nen der Zivilgesellschaft vor. Möglichst viele mundtot zu machen, ist derzeit wichtiger denn je: Ab dem 11. November 2024 ist Aserbaidschan elf Tage Gastgeber der UN-Klimakonferenz (COP). Baku wird diese Bühne für die eigene Imagepflege zu nutzen wissen.

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