das portrait: Zuspielerin Hannah Kohnist der Kopf beim SSC Schwerin
„10 Uhr hatten wir doch ausgemacht“, sagt Hannah Kohn, wenn man sich dafür entschuldigt, sie am Sonntag morgen anzurufen – schließlich könnte es ja sein, dass die Feier gestern nach dem Heimsieg der Volleyballerinnen des SSC Palmberg Schwerin länger gedauert hat.
Vermutlich war es diese Klarheit, die Kohn bei ihrem ersten Heimspiel in Schwerin geholfen hat, den Sprung ins kalte Wasser zu bestehen. Schließlich hat die Neuzugängerin die verletzte Vedrana Jakšetić als Zuspielerin ersetzt. Und obwohl auch die Angreiferin Nova Merring ausfiel, setzte sich der SSC Palmberg Schwerin mit 3:0 nach Sätzen gegen den VC Wiesbaden durch.
„Ich war sehr aufgeregt“, sagt Hannah Kohn, „aber das hat sich nach den ersten Minuten gelegt und ich konnte die Atmosphäre genießen.“ Und das, obwohl die Position der Zuspielerin für Kohn eine mit „super viel Verantwortung“ ist. „Man ist Kopf der Mannschaft“, sagt die 21-Jährige. Muss man auch leidensfähig sein, wie es in den Beschreibungen der Position oft heißt? „Wenn die Annahme nicht läuft, ist man diejenige, die rennen muss“, sagt Kohn. „Aber du musst dem Angriff vertrauen.“
Ist es eine undankbare Position, weil die Aufmerksamkeit der Zuschauer:innen beim Angriff liegt statt bei der Zuspielerin? Für Kohn ist das kein Problem. „Natürlich ist es geil, wenn die Angreiferin den Punkt macht“, sagt sie. „Aber wer Ahnung hat, sieht jede Spielerin in ihrer Rolle.“ Dass ihre die der Zuspielerin geworden ist, hat sie sich nicht selbst ausgesucht. Als sie zwölf Jahre alt war, war klar, dass sie gut pritschte und einen guten Überblick über das Spiel hatte – „Da wurde mir gesagt: Du bist Zuspielerin.“
Es ist nicht das erste Mal, dass ihr von außen gesagt wird, wie ihr sportlicher Weg weiterzugehen hat. Als Kind war Kohn beim Leistungsturnen, bis ihr dort gesagt wurde, dass sie zu groß dafür sei. „Es war meine Leidenschaft“, sagt Kohn. Man habe sie „rausgeschmissen“, so formuliert sie es, und ein bisschen Bitterkeit scheint noch immer durchzuschimmern, obwohl sie es im Nachhinein verstehen kann.
Der Weg zum Volleyball lag dann familiär nahe – sowohl die Eltern als auch der Bruder sind aktive Spieler. Parallelen zum Turnen kann Hannah Kohn nicht finden, aber hilfreich ist ihr die turnerische Vergangenheit trotzdem: durch die Beweglichkeit und Körperspannung, die sie sich dort angeeignet hat.
Direkt als Leistungssport hat sie Volleyball nicht betrieben. Erst einmal ging sie zweimal pro Woche zum Training; erst als sie 15, 16 Jahre alt war, „hat man“ – Kohn formuliert das unpersönlich – „überlegt, dass sie einmal wöchentlich am Bundesstützpunkt Stuttgart trainiert“.
So kam es und mit 17 ist die gebürtige Ulmerin ins Sport-Internat übergesiedelt. Das ist nicht das Alter, in dem einen ausschließlich das Training interessiert. Kohn sagt, dass es manchmal nicht leicht war, Treffen mit Freunden und Freundinnen am Freitag abzusagen, weil Training war – aber „machbar“.
Die Bereitschaft dazu ist notwendig, aber nicht hinreichende Bedingung, um am Ende bei einem Bundesligaverein wie dem SSC Palmberg Schwerin in der ersten Bundesliga zu spielen, der noch dazu zwölffacher deutscher Meister ist.
Der sucht nun nach einer zweiten Zuspielerin – und Kohn sagt, dass ihr Ziel ist, so oft wie möglich selbst auf dem Platz zu stehen. „Ich muss mich da durchsetzen.“ Eine Frau wie sie, der es gelingt, nebenbei noch Psychologie an der Fernuni zu studieren und sich zwischen zwei Trainingseinheiten an den Schreibtisch zu setzen, sollte da ganz gute Karten haben.
Friederike Gräff
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