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Fernwärme in BerlinHolz rettet das Klima nicht

Bei einer Anhörung im Umweltausschuss ging es um nachhaltige Fernwärmeerzeugung. Aus Sicht von ExpertInnen ist die mit Biomasse nicht zu erreichen.

Schön rustikal, aber nicht unbedingt nachhaltig: Brennholz Foto: IMAGO / FotoPrensa

Seit einiger Zeit laufen Umwelt- und Klimaschutzorganisationen Sturm gegen den „Dekarbonisierungsfahrplan“ für die Berliner Fernwärme. Die wird heute noch zu rund 95 Prozent mit fossilen Brennstoffen erzeugt und trägt massiv zum CO2-Ausstoß des Landes bei.

Um Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen, hatte Vattenfall als Alteigentümer des Netzes einen Plan erarbeitet, bei dem große Anteile der Energie künftig mit Wasserstoff und Biomasse hergestellt werden sollen. Bis auf Weiteres gilt dieser „Fahrplan“, auch wenn das Land Ende 2023 die gesame Wärmesparte für rund 1,4 Milliarden Euro erworben hat.

Auf Antrag der Grünen gab es dazu am Donnerstag eine Anhörung im Umweltausschuss des Abgeordnetenhauses – wobei die für Landesbetriebe zuständige Wirtschaftsverwaltung zu Prokotoll gab, dass man sich den Fahrplan bis Jahresende mit der neuen Berlin Energie und Wärme AG (BEW) „ansehe“ und überarbeite.

Für Wolfgang Lucht vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung (PIK) ist klar: Holz zur Wärmeerzeugung zu nutzen ist nicht nachhaltig: „Holz brennt schnell und wächst langsam“, so Lucht. Die Annahme, der Energieträger wachse ja einfach wieder nach, sei irreführend, vor allem weil in den gängigen Klimamodellen eine Zunahme der weltweiten Biomasse als Kohlenstoffsenke eingepreist sei. Trotzdem wird laut Lucht die Verbrennung von Holz in der CO2-Buchhaltung als klimaneutral betrachtet, „obwohl aus dem Schornstein mehr Kohlendioxid kommt als bei fossilem Heizen, weil die Energiedichte geringer ist“.

Michaela Kruse vom Berliner Nabu hält den Dekarbonisierungsfahrplan für ein „Armutszeugnis“. Nach ihrer Rechnung würden die geplanten Biomassekraftwerke an den Standorten Reuter West und Klingenberg sowie das bestehende Kraftwerk im Märkischen Viertel pro Jahr 1,6 Millionen Tonnen Holz – rechnerisch die Hälfte der gesamten brandenburgischen Ernte – benötigen. In Berlin habe die Umweltverwaltung gerade erkannt, dass der eigene Wald „eine Verschnaufpause brauche. Es wäre doch perfide, wenn das nur für die eigenen Bestände gilt.“

Greenwashing mit Plantagen

Bei den von Vattenfall betriebenen „Kurzumtriebsplantagen“ (KUP), auf denen schnell wachsende Pappeln nach wenigen Jahren geerntet werden, geht es laut Kruse „um viel Greenwashing“. Sie könnten nur wenige Prozent zum Biomassemix beitragen und hätten in der Region schlechte Wachstumsbedingungen. Für Wolfgang Lucht sind KUP „eine Form intensiver Landwirtschaft und kein Wald“, sie brauchten viel Wasser und Stickstoff, seien aber „ökologisch arm“. „Wir können nicht das Klima auf Kosten der Ökologie retten“, befand der Klimaforscher.

Tobias Quast-Malur vom BUND mahnte an, dass der ebenfalls vorgesehene Einsatz von Altholz eine Konkurrenz zur stofflichen Wiederverwertung dieses Rohstoffs schaffe. Baue man die Recyclingkapazitäten aus, wie es der Zero-Waste-Strategie des Landes entspreche, bleibe eine sehr geringe Menge für die „thermische Verwertung“ übrig. Dann müssten auch wieder Importe diese Lücke füllen.

Der Vertreter der BEW in der Anhörung, Marko Voß, verteidigte hingegen die Pläne des Unternehmens und bezeichnete die anvisierten 17 Prozent Biomasse als „kleinen Anteil“ am Energiemix. Sie seien aber notwendig, wenn man Ende des Jahrzehnts aus der Steinkohleverbrennung an den beiden verbliebenen Berliner Standorten aussteigen wolle.

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