Die Wahrheit: Gebeuteltes Éire, gaga Irland

Irisches Schulvolk lässt sich nicht lumpen: Weil die Handys nun in einem Beutel morgens eingesackt werden, führt es einfach ein zweites Handy mit …

Ein Megaphon gezeichnet als Logo

Irgendwie muss man das Geld ja ausgeben. Die irische Regierung überlegt angestrengt, was sie mit den 13 Milliarden Euro plus Zinsen, die sie nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs von Apple erhalten hat, anfangen kann. Vielleicht ein paar Häuser bauen, um die Wohnungsnot ein wenig zu ­lindern? Oder mal ins marode Gesundheitssystem investieren?

Man fängt jedoch lieber klein an. Die Regierung stellt neun Millionen Euro für Beutel bereit, in denen die Schüler während des Schulbetriebs ihre Handys aufbewahren müssen. Es sind natürlich keine Allerweltsbeutel. Sie können nur mit einem Magneten geöffnet werden, ähnlich wie in Geschäften, um Sicherheitsetiketten zu entfernen. Das muss das Lehrpersonal nach Schulschluss erledigen.

Die Maßnahme ziele darauf ab, das „psychische Wohlbefinden der Schüler und ihre Bildungserfahrung“ zu verbessern, sagte Bildungsministerin Norma Foley. Es gebe „unbestreitbare Beweise“, dass Schüler der Sekundarstufe akademisch und sozial besser abschneiden, wenn sie während des Unterrichts keinen Zugang zu ihren Handys haben. Foley sagte, dass Schüler ständig auf den Piepton ihrer Telefone warten. Es dauere dann eine Viertelstunde, bis sie sich wieder auf den Unterreicht konzentrierten.

Zu meiner Schulzeit waren Taschenrechner im Unterricht verboten. Die piepten aber nicht. Wer damit erwischt wurde, musste das Gerät abgeben. Genauso handhaben es heutzutage die Schulen mit den Handys. Niemand bestreitet, dass die Verbannung von Smartphones aus dem Klassenzimmer sinnvoll ist. Aber die meisten halten die Beutellösung für bekloppt. Die Lehrergewerkschaft drückte es höflicher aus: Die Kontrollen seien bereits so weit verbreitet, dass das Geld besser für andere Dinge verwendet werden sollte.

Bitte, zur Vernunft zu kommen

Die Oppositionspartei Sinn Féin bat die Ministerin, sie möge bitte „zur Vernunft kommen“. Sie monierte, dass die Regierung „unsere Schulen im ganzen Land unterfinanziert hat und viele Schulen darum kämpfen, die Strom- und Heizkosten zu bezahlen“. In Irland müssen die Schulen einen Teil der laufenden Kosten selbst aufbringen, wofür sie Quizabende, Basare, Auktionen und andere fantasievolle Geldbeschaffungs­methoden einsetzen.

Die Schülerinnen und Schüler lachen sich derweilen ins Fäustchen. Sie sind ja nicht blöd: Wer auf sein Handy während des Unterrichts nicht verzichten will, nimmt morgens ein Zweitgerät mit und deponiert es im Beutel. Hätte ich damals ein Smartphone besessen, hätte ich die Latein-Abi-Prüfung im ersten Anlauf geschafft. Ein Taschenrechner war dafür nutzlos, zumal ich in Mathe ohnehin Klassenbester war.

Die Frage, die sich – außer der Regierung – alle in Irland stellen: Wer produziert diese Handy-Beutel, und in welchem Verwandtschaftsverhältnis steht er zu welchem Minister?

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

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