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taz Salon über Frauen im Protest„Rhetorisch krasse Frauen“

Die Gesichter der Klimabewegung sind weiblich. Denn die Protestierenden wissen, dass das Aufmerksamkeit sichert, sagt Medientrainerin Emily Laquer.

Kein Zufall: in den meisten Klimabewegungen stehen Frauen an den Mikrofonen Foto: Sven Hoppe/dpa
Friederike Gräff
Interview von Friederike Gräff

taz: Ist es Zufall, dass vor allem junge Frauen für die Klima­proteste sprechen, Frau ­Laquer?

Emily Laquer: Nein. Das ist bewusste Taktik – und zwar eine kluge. Und es entspricht einem feministischen Zeitgeist.

taz: Angefangen mit der Taktik: Was verspricht man sich davon?

Laquer: Die Letzte Generation zum Beispiel achtet sehr auf ihr Image und hat sympathische junge Frauen als Sprecher:innen. Angesichts ihres Verfahrens wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung schadet das sicher nicht. Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen haben verstanden, wie Medien funktionieren – und wissen, wie sie ihre Chancen erhöhen, interviewt zu werden. Ein rein männliches Panel oder eine Zeitung, in der nur Männer interviewt werden, wirdheute nicht mehr akzeptiert.

taz: Bei der Gruppierung Ende Gelände gab es zu Beginn gemischte Teams – dann wurden bei den Sachthemen nur die Männer gefragt. Wie geht man damit sinnvoll um?

Laquer: Ende Gelände rotiert bewusst jedes Jahr ihre Sprecher:innen, um auch unerfahrenere oder junge Ak­ti­vis­t:in­nen zu ermutigen, öffentlich zu sprechen. Damit leben sie ihre Vision einer feministischen Welt auch in ihren eigenen Strukturen. Aber: Zu viel Rotation geht auf Kosten der Medienmacht, die man nur mit viel Übung und Zeit aufbaut.

taz: Ist Gender eine wichtige Kategorie in den gegenwärtigen Klimabewegungen?

Laquer: Ja. Fridays For Future zum Beispiel ist vor allem durch selbstbewusste, rhetorisch krasse Frauen bekannt. Aber dass so viele Frauen, nicht binäre und trans* Personen vorne stehen, fällt in erster Linie der Generation X und den Baby Boomern auf, die es noch ganz anders kennen. Gen Z und Gen Alpha sind heute viel selbstverständlicher feministisch.

taz: Ich hänge noch an dem, was Sie eben über das mediale Interesse an jungen Frauen gesagt haben. Geht es da denn auch um optische ­Attraktivität?

Laquer: Nein. Auch wenn wir unterbewusst wahrscheinlich alle gern attraktive Menschen in den Nachrichten sehen: In Protestbewegungen ist das überhaupt keine Kategorie für die Entscheidung, wer in der ersten Reihe spricht. Viel wichtiger ist, welche Stimmen medial mehr gehört werden müssen – zum Beispiel Menschen mit Rassismuserfahrung oder Fluchtgeschichte.

taz: Einigen der Protestbewegungen wirft man vor, sozial sehr homogen zu sein. Ist das eine berechtigte Kritik?

Laquer: Dieser Vorwurf tut vielen jungen Ak­ti­vis­t:in­nen unrecht, die nicht aus weißen Akademikerhaushalten kommen. Aber natürlich bringen Kinder von Ärz­t:in­nen oder An­wäl­t:in­nen ein großes Selbstbewusstsein und eine Selbstverständlichkeit im Auftreten mit, die es ihnen viel leichter macht, öffentlich zu sprechen. Dieses soziale Kapital besitzen heute nicht nur die Söhne, sondern auch die Töchter. Die soziale Ungleichheit unserer Gesellschaft hebelt das aber nicht aus.

taz: Wie vermittelt sich das?

Laquer: In meine Medientrainings kommen auch Arbeiterkinder, Armutsbetroffene, Wohnungslose oder Geflüchtete. Von klein auf bekommen sie gesagt, dass ihre Meinung weniger zählt. Sie haben den Habitus und die Statussignale eben nicht mit der Muttermilch aufgesogen. Deshalb üben wir, selbstbewusst vor Kameras und Mikrofone zu treten.

taz salon „Wie Greta Rudi überholt hat“ am Dienstag, den 10. 9., diskutiert über Frauen in Protestbewegungen. Sie können live dabei sein, um 19.30 Uhr im Haus 73, alternativ auch im Livestream. Mehr Infos unter taz.de/salon

taz: Dass Ak­ti­vis­t:in­nen sich professionell coachen lassen, wäre 68 wohl undenkbar gewesen.

Laquer: Ja, wahrscheinlich. Das wäre eine spannende Frage an die Gäste auf Ihrem Podium beim taz Salon zu Frauen im Protest. Was ich beobachte, sind deutlich veränderte Geschlechterverhältnisse. Vor einigen Jahren habe ich an einem Podium mit Gretchen Dutschke teilgenommen. Der Moderator, selbst aus der Studentenbewegung, hat ihr kaum eine Frage gestellt und offensichtliches Desinteresse gezeigt – ganz im ­Gegensatz zum Publikum. Heute wissen die meisten Männer hoffentlich, dass man das nicht bringen kann. Ich habe an dem Abend viel über den Sexismus der 68er gelernt – und wie viel sich doch inzwischen getan hat.

taz: Nehmen Sie einen Genderunterschied in den Trainings wahr?

Laquer: Kluge und kompetente Frauen gab es in Protestbewegungen schon immer. Heute steht ihnen weniger im Weg. Es gibt die Hürden noch, aber sie sind deutlich niedriger, weil es eine Quotenkultur gibt, die junge Frauen aktiv ermutigt.

taz: Es braucht Ermutigung?

Laquer: Ja. Das war bei mir als eine der Sprecherinnen für die G20-Proteste genauso. Ich habe mich nicht selbst gemeldet, jemand hat mich vorgeschlagen. Frauen treten oft zu demütig auf. Sie sagen mir: „Ich will mich nicht nach vorne drängen.“ Aber ihre Stimmen sind wichtig. Es darf, es soll ihnen sogar Spaß machen. Mit Leidenschaft wird auch das Interview stärker.

Benjamin Jenak
Im Interview: Emily Laquer

37, ist Interview-Trainerin und Talkshow-Coach der Aktivistinnen-Agentur in Hamburg.

taz: Wie viel interne Konflikte gibt es in den Bewegungen noch um männliche Dominanz?

Laquer: Klar gibt es die. Als Mil­lennial fällt mir aber auf, wie wenig Bereitschaft die jüngeren Aktivistinnen haben, mackerige Männer zu ertragen, an denen meine Ge­nos­s:in­nen und ich uns noch abgearbeitet haben. Wir dürfen dabei aber nicht den Streit verlernen – und die Fähigkeit, Kontroversen auszuhalten.

taz: Ist nicht einer der großen Fortschritte, dass es heute eine Streitkultur statt des Niederredens gibt?

Laquer: Die Sprache von Protestbewegungen ist zärtlicher geworden. 1968 waren grobe Umgangsformen noch Ausdruck von Rebellion. Es ist gut, dass wir uns heute ausreden lassen, zuhören und auch Zweifel zulassen. Das Pendel kann aber auch zu stark ausschlagen. Es wird ein Problem, wenn ich in einer Talkshow Justizminister Marco Buschmann gegenüber sitze, der nicht einmal Anne Will zu Wort kommen lässt. Die öffentliche Auseinandersetzung ist ein Kampf und wir treffen auf echte Gegner. Es gelten andere Regeln. Deshalb üben wir in Talkshow-Trainings auch das Unterbrechen, um uns verbal so tough zu schlagen, wie es unsere Gegner tun.

taz: Würde man nicht hoffen, dass die Merz-Trump’ sche Art des Nicht-Gesprächs eine Öffentlichkeit irgendwann nicht mehr überzeugt?

Laquer: Hoffen kann man viel. Aber Donald Trump ist damit Präsident geworden, Friedrich Merz Parteichef. Wir leben in einer Welt der harten Männer. Natürlich wollen wir nicht werden wie sie. Aber wenn wir ihnen kein Paroli bieten, können wir mit unseren Positionen, Forderungen und Kritik an der Welt einpacken.

taz: Damit verlässt man aber doch auch den Anspruch auf eine andere Auseinandersetzung?

Laquer: Es macht einen Unterschied, ob ich im Plenum oder in einer Talkshow sitze. Wir müssen unsere Rhetorik jeweils anpassen. Mein Ziel ist es, dass die Ak­ti­vis­t:in­nen im medialen Boxkampf nicht k. o. gehen.

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