Zauber des Saisonbeginns: Nach der Morgenröte

Der Auftakt der Männer-Fußballbundesliga lädt zu einem anderen Blick ein. Aber allzu viel Versöhnlichkeit ist dann doch wieder nicht angebracht.

Kane legt sich den Ball auf den Elfmeterpunkt

Frühe Ernüchterung: Kane und der FC Bayern treffen wieder nach Belieben Foto: imago

Die ersten Spieltage einer Saison sind, filmisch gesprochen, Before Sunrise-Momente: Ein frischer Beginn, viel Zauber liegt im Kleinen und Unscheinbaren. Noch haben Großklubs und Titelrennen nicht den öffentlichen Diskurs an sich gerissen. Noch ist Raum da, um die herausragende Arbeit in Heidenheim anzuerkennen – nicht nur, weil sie sich gerade für jeden Trottel erkennbar tabellarisch zeigt.

Noch ist Raum da, um anzuerkennen, was für ein interessanter Streich-Nachfolger Julian Schuster beim SC Freiburg ist, und wie mutig und spielfreudig Holstein Kiel (entgegen des für jeden Trottel erkennbaren Tabellenplatzes) in den ersten beiden Partien agierte. Selbst gegenüber dem FC Bayern München, der mit Vincent Kompany seit Langem mal wieder einen sympathisch bescheidenen Coach mit origineller Spielidee hat, waren viele ungewohnt neugierig.

Aber dieser Moment der Morgenröte ist kurz, und er scheint verflogen mit dem 6:1, mit dem Bayern an die Tabellenspitze pflügte und Holstein Kiel zerlegte. Vieles wird wie immer jetzt, und noch mehr vom selben. Die nun startende Champions League erinnert freundlich daran, dass sie jetzt quasi eine Dauerliga ist. Alle streiten wieder über die Handspielregel, Spieler hüpfen durch den Strafraum wie ein Reh auf der Flucht vor Jägers Kugel. Und wie gewohnt seit dem VAR wird ständig Elfer gepfiffen.

Rekord mit 13 Elfmeter

An diese Auffälligkeit lohnt es, zu erinnern: 13 Elfmeter gab es bis Redaktionsschluss an drei Spieltagen, sechs davon allein an diesem. Es könnte ein Allzeit-Startrekord werden. Rund 77 Prozent werden üblicherweise verwandelt, oft ohne nennenswerte Torchance vorab; jedes zweite Spiel wird also mittlerweile durch ein (fast) geschenktes Tor mitentschieden.

Was für ein Unsinn. Über diesen Unsinn wird wohl bald wieder laut gestritten werden. Aber bemerkenswert ist auch, über welchen Unsinn kaum mehr gestritten wird. Superreiche, Dauermeister, aufgeblähte Champions League und Multi-Club-Ownership waren lange Em­pö­rungs­the­men.

Das Schweigen der Unioner Kurve gegen Red Bull am Wochenende aber fällt eher unter Ritual, die neue Erhöhung von Haalands 375.000 Pfund pro Woche rührte wenige, und die Champions League erhält ihren ernsthaftesten Widerstand von erschöpften Profis. Der Glaube an strukturelle Neuausrichtung wurde vorläufig erfolgreich ausgehungert. Wenn sich das Morgenrot verzogen hat, sieht man, dass die Verhältnisse fortbestehen wie am Vorabend. Das ist ernüchternd. Aber immerhin: Klares Sehen soll ja auch helfen.

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Jahrgang 1991, studierte Journalismus und Geschichte in Dortmund, Bochum, Sankt Petersburg. Schreibt für die taz seit 2015 vor allem über politische und gesellschaftliche Sportthemen zum Beispiel im Fußball und übers Reisen. 2018 erschien ihr Buch "Wir sind der Verein" über fangeführte Fußballklubs in Europa. Erzählt von Reisebegegnungen auch auf www.nosunsets.de

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