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AfD-Anfrage zur Fußball-EMKarl Lauterbach im Tor?

Wie nach Vorstellung der AfD Politik funktioniert und wie man sich auf diese Weise am besten bei Bundestrainer Julian Nagelsmann einkauft.

Die Präsenz von Gesundheitsminister Karl Lauterbach in einem EM-Stadion löst parlamentarische Nachfragen aus Foto: Revierfoto/imago

D ie Truppe, die gerne eine Alternative für dieses Land wäre, beherrscht die deutsche Sprache schon mal nicht. „Teilnahme von Mitgliedern der Bundesregierung an den Spielen der Fußballeuropameisterschaft in Deutschland“ ist eine aktuelle „Kleine Anfrage“ der AfD an die Bundesregierung betitelt. Es wird also die Vermutung formuliert, Minister oder Staatssekretäre seien in Julian Nagelsmanns EM-Kader berufen worden.

Aber man weiß doch, was gemeint ist, könnte man ausrufen. Ja, gewiss, das weiß man bei der AfD immer, zumindest ahnt man es. Was sie in diesem konkreten Fall will, ist Unmut darüber zu entfachen, dass Teile des Bundeskabinetts sich im Juni und Juli EM-Spiele angeschaut haben, ja, eventuell sogar „während des Spiels gastronomisch versorgt“ (AfD-Anfrage) wurden. Damit dieser eher banale Vorgang möglichst empörend klingt, ­schreiben die Leute nicht vom Anschauen einer Fußballpartie, sondern von der „Teilnahme an den Spielen“.

Die Bundesregierung ist verpflichtet, auch solche Fragen zu beantworten. „Aufgabenbedingt pflegen Mitglieder der Bundesregierung, Parlamentarische Staatssekretärinnen bzw. Parlamentarische Staatssekretäre, Staatssekretärinnen bzw. Staatssekretäre der Bundesministerien Kontakte mit einer Vielzahl von Akteuren“, heißt es, und tatsächlich werden in der Anlage zur Antwort die Gesprächstermine aufgelistet, die entlang der EM-Spiele wahrgenommen wurden.

Das ist eine lange Liste, bloß: Sie erklärt nichts. Beim Spiel Slowenien-Serbien (1:1) am 20. Juni in München beispielsweise war Außenministerin Baerbock mit einem Mitarbeiter anwesend. Es sind nur solche wertlosen Informationen, die die Frager der AfD zu Tage gefördert haben, angeregt übrigens durch einen Bericht der Bild-Zeitung. Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Claudia Roth, bekam etwa einen Miniball „Adidas Fußballliebe“ im Wert von 15 Euro überreicht, den sie „weiter verschenkt“ hat, so die Antwort der Bundesregierung.

Fußballtickets und Lachshäppchen

Die Anfrage verrät, welche Vorstellung Rechtsextremisten von Politik haben. Ich gebe ja zu, dass auch ich nicht vermute, die AfD-Leute glaubten, Karl Lauterbach habe bei Nagelsmanns Team im Tor gestanden, auch wenn beim AfD-Versuch, einen geraden deutschen Satz zu formulieren, das herauskam.

Die Sprachschwäche jedoch ist keine Dummheit, sondern offenbart die Überzeugung in diesen Kreisen, Politik funktioniere so, dass sich das dortige Personal alles in die eigenen Taschen schaufelt: Fußballtickets, Lachshäppchen, Dienstreisen und wenn sie wollten, würde sich diese Leute noch selbst einwechseln. Die CDU/CSU-Fraktion hat übrigens drei Wochen nach der AfD eine ähnliche „Kleine Anfrage“, bezüglich Karl Lauterbach formuliert.

Nun ist es ja schon so, dass es das Phänomen von politischem Personal, das mittels fußballerischen, na ja, Fähigkeiten gerne punkten würde, gibt. Tschetscheniens Diktator Ramsan Kadyrow beispielsweise hatte 2011 Stars wie Lothar Matthäus oder Romario verpflichtet, um mit ihnen in einem rappelvollem Stadion zu kicken. Oder Diktatorensohn Al-Saadi al-Gaddafi aus Libyen kaufte sich gar in die italienische Serie A ein, um eine Viertelstunde für den AC Perugia zu spielen.

Solche Fälle gibt es. Aber funktioniert Politik so? Nein, es ist nur so, dass gerade Leute von rechts in der politischen Arena unterwegs sind, die glauben, sie hätten mit diesen lächerlichen Selbstinszenierungen das Bewegungsgesetz der Politik begriffen und könnten es für sich nutzen und anderen vorwerfen. Das Ärgerliche daran: Sie glauben fest daran und machen immer weiter. Das Schöne daran: Wer so denkt, scheitert. Auch das lehrt der Fußball.

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Martin Krauss
Jahrgang 1964, freier Mitarbeiter des taz-Sports seit 1989
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4 Kommentare

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  • AfDler sind nun mal Meister der Projektion!

  • Auch wenn die AfD natürlich versucht, das Thema politisch auszuschlachten, selbst natürlich wegen diverser Spendenaffären schon in der Oppositionsrolle diverse Flecken an der braunen Weste hat, sie hat einen Punkt.



    Die Tickets erhalten die Politiker umsonst, diese nutzten teilweise die Flugbereitschaft der Bundeswehr, um sich zu den Spielen bringen zu lassen, natürlich von Steuerzahler finanziert. Das ist nicht in Ordnung und setzt ein schlechtes Zeichen. Das zu lassen rettet nicht den Haushalt, aber es hilft gegen das allgemeine Gefühl der abgehobenen Politikerelite.



    Tickets selbst kaufen, Bahnticket oder Sprit vom Auto selbst zahlen, dann soll jeder Politiker auf jedes Spiel gehen das er will. Und wenn ein Sponsor Aufmerksamkeit heischend Häppchen und Bier für den oder die Volksvertreter/in zahlt sollte das öffentlich sein.

  • Karl Lauterbach im Tor?



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    Warum "uns Kalle" da war ist einfach zu erklären!



    Er wollte mal mitbekommen, selbst sehen, wie Spieler & Zuschauer "medizinisch versorgt" werden, wenn es mal dazu kommen muss!



    Lobenswert mMn., um auch mal ganz praktisch "unser Gesundheitssystem" bei der Arbeit zu sehen, weil wohl auch DORT einiges besser zu machen ist!



    Mein Vorschlag dazu:



    Bezahlung der "Ehrenamtlichen Sanis, besser Übernahme der Kosten usw." für Ihre Einsätze durch die Veranstalter, weil, "UM hoch kommerzielle Events finanziell zu sponsern" sind "Ehrenamtler & Ehrenamt" wohl nicht entstanden, erfunden worden!



    Ps. Das o.a. sollte auch für Polizeieinsätze über die "normale Verkehrsregelung & -Leitung hinaus" gelten! :-(

  • Wenn niemand als Zuschauer dagewesen wäre, hätten sie sich wahrscheinlich beschwert, dass sie sich nicht für die "DEUTSCHE" Mannschaft interessieren.