: Bremen muss sparen, also jetzt wirklich
Bremen droht eine Haushaltsnotlage, sagt der Stabilitätsrat und zwingt den Stadtstaat zum Sparen. Der will nun beim Personal kürzen, Gebühren erhöhen und ein paar geflüchtete Jugendliche loswerden
Von Lotta Drügemöller
Erst Corona, dann der Ukrainekrieg – die Krisen der vergangenen Jahre hatten dem klammen Bremen lange zu mehr Handlungsspielraum verholfen. Der Zwei-Städte-Staat zog die Ausnahmeregelung, die die Schuldenbremse für Notlagen vorsieht, und nahm Milliarden an Krediten auf.
Damit ist es nun vorbei. Der Stabilitätsrat hat Bremens Stabilität in Frage gestellt. Aktuell fließt etwa jeder neunte Euro des Bremer Haushalts in Zinszahlungen für alte Schulden. Um im nächsten Jahr die 400 Millionen Euro Sanierungshilfe vom Bund zu bekommen, muss Bremen jetzt anfangen zu sparen und alte Kredite zurückzuzahlen. 2025 wird das erste Jahr seit 2019, in dem keine Notlage erklärt wird – und damit das erste Jahr seit Bestand der rot-grün-roten Koalition, in dem Bremen mit dem auskommen muss, was es einnimmt.
Rund 100 Millionen Euro im Jahr müssen zwischen 2025 und 2027 gespart werden – aber woher nehmen? Am Freitag haben sich die Koalitionspartner auf erste Pläne geeinigt.
Als erste sogenannte „strukturelle Maßnahme“ zum Sparen nennt die Senatspressestelle die Umverteilung von minderjährigen Geflüchteten. Bisher nimmt Bremen etwa doppelt so viele unbegleitete Minderjährige auf, wie es nach dem Königssteiner Schlüssel vorgesehen werde. Hier soll gespart werden: Man wolle auf „erhöhte Anstrengungen des Landes“ und „konsequente Verfahren“ setzen, um die Jugendlichen in Zukunft auf andere Länder zu verteilen.
Scharfe Kritik daran gibt es vom Flüchtlingsrat. Schließlich werden schon mit der jetzigen Praxis in vielen Fällen der besondere Schutzbedarf und familiäre Bindungen nicht gewürdigt. „Schon jetzt verletzt Bremen damit Menschen- und Kinderrechte“, sagt Sprecherin Gundula Oerter. „Und das will man noch verschärfen? Seriously?“
Wie viel Geld sich mit der Umverteilung einsparen lässt, das kann das Sozialressort am gestrigen Montag nicht beziffern; der Punkt unterscheidet sich damit von vielen anderen der konkreteren Sparideen. Für Oerter spricht vieles dafür, dass es bei dem Punkt auch um Symbolik gehe. „Bremen beteiligt sich damit aktiv an der Diskursverschiebung nach rechts.“
Weniger existenziell, aber doch spürbar, werden die Sparpläne auch für viele andere: Klar ist bereits, dass Eltern von Kleinkindern stärker belastet werden, gleich an zwei Stellen: Die Krippengebühren werden steigen – und auch die Kosten für das Mittagessen in der Kita werden um zehn Euro monatlich angehoben (zusätzliche 2,8 Millionen Euro jährlich).
Für Studierende steigt die Verwaltungsgebühr, auf 63 Euro, was 800.000 Euro bringen soll. Sozialticketbezieher*innen müssen fürs Bus- und Bahnfahren mehr Geld zahlen. Und auch Autofahrer*innen werden den Sparhaushalt spüren: Es sollen mehr Blitzer installiert werden (zusätzliche 600.000 Euro Einnahmen) – und auch Parkgebühren sollen steigen.
Insgesamt widmet sich ein großer Teil der Bemühungen höheren Einnahmen: Über eine höhere City Tax will man jährlich eine zusätzliche Million Euro durch Touristen generieren. Eine Verpackungssteuer nach Tübinger Vorbild ist zumindest in der Diskussion. Und fünf bis zehn Millionen Euro sollen alljährlich über die Erhöhung der Grunderwerbssteuer eingenommen werden. Auch die Spielbank muss mehr Geld abdrücken – eine Million Euro jährlich soll das bringen.
So konkret sind längst nicht alle Punkte des Programms: Das Sparkonzept enthält noch jede Menge Unbekannte. Grundsätzlich hat sich Bremen entschieden, seine Standards abzusenken, da, wo sie bisher höher lagen als in anderen Städten.
Konkret wird das beim Klimaschutz: Für öffentliche Neubauten gilt in Bremen bald wie überall der Baustandard EH55. Beim aktuell geltenden EH40 verbraucht ein Haus nur 40 Prozent der Energie eines Vergleichsgebäudes. Erst 2023 war dieser ehrgeizige Standard festgelegt worden – als Folge aus den Zielen der Enquete-Kommission „Klimaschutz“, deren Ziel Klimaneutralität im Gebäudesektor bis 2035 jetzt erschwert werden könnte.
Auch Sozialstandards sollen abgesenkt werden auf das Niveau von anderswo. Die Kosten pro Fall sollen in Zukunft nicht mehr über dem Durchschnitt anderer Großstädte liegen. Wo das konkret zu spüren sein wird, und wie viel Geld es einsparen kann, das kann das Sozialressort aber noch gar nicht sagen. Ein Knackpunkt für die Bewertung des Programms: „Am schwierigsten ist für uns die noch nicht konkret ausgestaltete Ankündigung, Standards im Sozialbereich zu senken“, sagt denn auch Nelsson Janßen von den Linken. Man werde den Prozess „wachsam begleiten“, um abzusichern, dass keine Standards unter Bundesschnitt gesenkt werden.
Ein wichtiger Schritt zum dauerhaften Sparen – und mehr oder minder unstrittig – ist die Erstellung eines Personalkonzepts. Besonders die Kernverwaltung Bremens soll damit im Zaum gehalten werden: Das Personal dort ist in den vergangenen zehn Jahren stark angestiegen. Schon in der letzten Legislaturperiode hatte das Finanzressort geplant, eine zentrale Stelle für Personalbedarfsplanung einzurichten – war aber damals am Widerstand mehrerer Ressorts gescheitert, die nicht wollten, dass man sich in ihre Angelegenheiten mische.
Im Bereich der Kernverwaltung war die Zahl der Arbeitnehmer von 1.788 im Jahr 2014 auf 2.551 im Jahr 2023 angestiegen; 2024 kamen so auf 1.000 Einwohner für die Verwaltung in Bremen etwa 1.450.000 Euro. Das entspricht pro Einwohner rund 120 Euro im Monat, nur für das Personal in der Bremer Kernverwaltung. Das Problem an Personalkosten: Allein schon durch Tarifanpassungen steigen sie jedes Jahr an, und mindern den Spielraum, um im Haushalt freie Entscheidungen für Projekte oder Vorhaben treffen zu können.
Ab 2025 sollen die Ressorts jährlich 1,45 Prozent Personal kürzen; Polizei, Justiz, Schule, Kita und Steuerverwaltung sind von den Kürzungen ausgenommen.
Mit konkreten Zahlen hinterlegt sind im Sparprogramm bisher Einsparungen von rund 150 Millionen Euro über die kommenden drei Jahre; reichen tut das noch nicht, es braucht jährlich 100 Millionen Euro.
Die CDU prognostiziert deshalb schon, die anderen Bundesländer werden das Programm nicht als Sanierungsprogramm akzeptieren. Ganz aus der Luft gegriffen scheint das nicht. Auch Finanzsenator Björn Fecker (Grüne) spricht davon, dass je nach Entwicklung der Rahmenbedingungen „noch weitere schmerzliche Entscheidungen nötig“ sein werden, um das Ziel des Sanierungsprozesses zu erreichen.
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