Mobilitätsgesetz im Visier: Radler sollen runterschalten
Offenbar will die Senatsverkehrsverwaltung das Mobilitätsgesetz abspecken. Ein Vorstoß der CDU-Fraktion vor einem Jahr war an der SPD gescheitert.
Tino Schopf, verkehspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion
Laut den aufrufenden Organisationen wie ADFC und Changing Cities radelten rund 3.000 Personen mit – ein Zehntel des Aufkommens der jüngsten ADFC-Sternfahrt im Juni, die gegenüber früheren Jahren auch schon stark geschrumpft ist. Vielleicht war die Hitze am mutmaßlich letzten Sommertag daran schuld. Vielleicht aber ist vielen RadfahrerInnen auch noch nicht wirklich bewusst geworden, wie konsequent die CDU in Parlament und Regierung daran arbeitet, die mit dem Mobilitätsgesetz gewachsenen Blütenträume zurückzustutzen.
Denn nach Informationen der taz bereitet die Verkehrsverwaltung dieser Tage einen eigenen Aufschlag vor, um das 2018 in Kraft getretene Gesetz abzuspecken – und zwar vor allem bei den Kapiteln zum Rad- und Fußverkehr. Angeblich geistert der 24. September als Termin durch das Haus am Köllnischen Park, an dem der Hausleitung ein Änderungspaket vorliegen soll, das sie dann zu gegebener Zeit dem Senat vorlegen könnte.
Bei vielen MitarbeiterInnen, die unter der siebenjährigen grünen Ägide eingestellt wurden, dürfte das auf keinen besonderen Enthusiasmus stoßen. Wie die taz erfuhr, soll ihnen kommuniziert worden sein, dass man sich im Zweifelsfall von allen Bestandteilen des Gesetzes trennen wolle, die formal juristisch verzichtbar seien – was auch immer das konkret bedeutet. Tatsächlich handelt es sich bei vielen Vorgaben des Gesetzes um Sollbestimmungen, deren Umsetzung einen entsprechenden politischen Willen in der Verwaltung voraussetzt.
Dass die CDU ein Interesse daran hat, die im Gesetz verankerte Privilegierung des Radverkehrs zurückzudrehen, ist dabei nichts Neues. Vor ziemlich genau einem Jahr war ein Entwurf der Abgeordnetenhausfraktion bekannt geworden, der an entscheidenden Stellen die Axt anlegte. Bei den Berliner Mobilitätswende-AktivistInnen stieß das auf große Empörung, aber auch die Koalitionspartnerin SPD signalisierte schnell, dass das mit ihr – die das Gesetz während der rot-rot-grünen Koalition mitbeschlossen hatte – so nicht zu machen sei.
Vorstoß für schmale Radwege
Besonders heftig eingeschlagen wäre die von den Christdemokraten damals vorgeschlagene Aufnahme verbindlicher Radwegebreiten in das Gesetz, die die im gültigen Radverkehrsplan festgehaltenen Maße außer Kraft gesetzt hätten. So hätte für Einrichtungs-Radwege nur noch eine Regelbreite von 2 Metern bei einer Mindestbreite von 1,50 Metern gegolten – derzeit sind es laut Radverkehrsplan regelhaft 2,30 und im sogenannten Vorrangnetz sogar 2,50 Meter, mindestens aber 2 Meter.
Für einen in beide Richtungen befahrbaren Radweg wäre die vorgeschriebene Breite von mindestens 4 Metern auf ein Regelmaß von 3 Metern bei einem zulässigen Minimum von 2,50 Metern zusammen geschnurrt. Möglich wurde all das in dem Entwurf durch eine weitere Änderung, welche die verbindliche Überholmöglichkeit unter Radfahrenden zur Streichung vorsah. Aus dem Gesetzestext werfen wollte die CDU auch den folgenden Absatz: „Bei im Vorrangnetz ausgewiesenen Straßen soll im Rahmen des geltenden Rechts dem Radverkehr als Teil des Umweltverbundes Vorrang vor dem motorisierten Individualverkehr eingeräumt werden.“
Inwieweit sich die offenbar nun von der Verkehrssenatorin angedachte Novelle an diesem Katalog orientiert, wird sich zeigen. Ihr Haus bestätigt nichts, und auch die CDU-Fraktion will sich nicht in die Karten schauen lassen, was eigene Bemühungen in dieser Richtung angeht. Nur, dass sich Anpassungen des Gesetzes „in der Bearbeitung und Abstimmung“ befänden, teilte ein Fraktionssprecher auf Anfrage mit.
Auch in diesem Fall ist jedenfalls davon auszugehen, dass es in der SPD Widerstand gegen einen derartigen Vorstoß geben wird. Zwar räumt der verkehrspolitische Sprecher der Fraktion, Tino Schopf, gegenüber der taz ein, dass im Koalitionsvertrag eine Überprüfung der Mindestbreiten von Radwegen und die stärkere Berücksichtigung örtlicher Gegebenheiten vereinbart worden sei. Die Koalitionärinnen hätten sich aber „ebenso auf die Fahnen geschrieben, dass wir Verkehrspolitik für alle Berlinerinnen und Berliner machen“.
„Keine Aushöhlung“ mit der SPD
Dazu gehöre auch, „dass zu Fuß Gehende und Radfahrende nicht gegen den Autoverkehr ausgespielt werden dürfen.“ Mit der SPD, so Schopf, werde es „keine Aushöhlung des Mobilitätsgesetzes geben“. Für sie stünden „die Stärkung und der Ausbau des ÖPNV sowie der Fuß- und Radverkehr wie auch die Belange des Wirtschaftsverkehrs“ im Vordergrund. „Dem motorisierten Individualverkehr (MIV) kommt hierbei aus unserer Sicht eine untergeordnete Rolle zu.“
Bei den Grünen sieht man den möglichen Versuch zur Stutzung des Mobilitätsgesetzes mit Sorge. „Wir brauchen eine lebenswerte moderne Stadt, die die Schwächsten schützt und das Klima schont“, sagt die verkehrspolitische Fraktionssprecherin Oda Hassepaß. Das Mobilitätsgesetz sei die Grundlage dafür, eine Abschwächung nicht sinnvoll. „Die CDU sorgt mit den Änderungen wieder einmal für einen Rückschritt“, so Hassepaß: „Die Schwächsten kommen unter die Räder.“
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