Adjø, Hvaldimir

Hvaldimir, wie ihn die norwegische Fischereiaufsichtsstelle antraf, als er noch lebte Foto: Jorgen Ree Wiig/Sea Surveillance Service via reuters

Interview Michael Brake

Eine traurige Nachricht erreichte uns aus Norwegen: Am vergangenen Samstag wurde der Belugawal Hvaldimir tot aufgefunden. 2019 tauchte der Meeressäuger in norwegischen Gewässern auf, und weil er eine Kamerahalterung mit der Aufschrift „Equipment St. Petersburg“ trug, gab es schnell Gerüchte, dass es sich um einen russischen Spionagewal handeln könnte. Von russischer Seite wurde das nie dementiert.

Hvaldimir – Hval ist norwegisch für „Wal“ – fühlte sich jedenfalls wohl in Norwegen, er streifte die Küste entlang und galt Menschen gegenüber als äußerst zutraulich. Bis zu seinem plötzlichen Tod, zu dem ein schockierendes Obduktionsergebnis vorliegt: Möglicherweise wurde Hvaldimir erschossen.

Eine späte Rache des KGB? Wir haben bei einem Experten des Deutschen Spionagemuseums nachgefragt.

taz: Herr Schimikowski, ein Belugawal als russischer Spion – kann das wirklich sein?

Florian Schimikowski: Ja, in der Welt der Spionage ist alles möglich. Tatsächlich trainiert die US-Navy seit den 1960er Jahren mit Meeressäugern, vor allem mit Delfinen und Seelöwen, aber auch mit Robben und verschiedenen Walarten. Und zumindest im Kalten Krieg hatte auch das sowjetische Militär ein ähnliches Programm.

taz: Wie lassen sich Meeressäuger denn sinnvoll für die Spionage einsetzen?

Schimikowski: Vor allem durch ihre Fähigkeit, mit Echoortung Objekte unter Wasser zu finden. Sie können sich im Meer besser orientieren als jede moderne Technik, zudem haben sie eine enorme Ausdauer. Meeressäuger eignen sich für die Suche von Seeminen, die Bewachung von Schiffen oder Häfen und auch für die Bergung von Gegenständen. Aus dem Irakkrieg ist bekannt, dass die US Navy Delfine zur Minensuche eingesetzt hat.

taz: Sterben dabei nicht auch mal Tiere?

Schimikowski: Dazu haben wir keine Berichte, aber Geheimdienste arbeiten ja geheim, und so etwas würden sie schon aus Imagegründen sicher nicht an die große Glocke hängen. Allerdings werden die Tiere sehr aufwendig von Menschen trainiert, also wird man allein aus finanziellen Gründen darauf achten, dass ihnen möglichst wenig passiert. Grundsätzlich ist es so, dass die Delfine die Minen zunächst finden und die Stelle dann den Menschen anzeigen, beispielsweise mit Rufen oder Bewegungen. Sie schwimmen also nicht gleich runter, um an den Minen rumzufuhrwerken.

taz: Das können dann ja auch die Menschen erledigen!

Schimikowski: Wenn man weiß, wo die Minen sind, kann man sie erst mal mit Kameratechnik untersuchen. Danach und wenn alles sicher ist, kann es durchaus vorkommen, dass die Tiere spezielle Werkzeuge etwa an ihre Schnauze erhalten, mit denen sie die Minen heben können.

taz: Gibt es neben den Meeressäugern noch andere Spionagetiere?

Schimikowski: Ja, es gibt Einsatzbeispiele von Hunden, Schweinen, Katzen, Tauben, Ratten und sogar Bienen. Generell sind Tiere gut geeignet, die über besondere sensorische Fähigkeiten verfügen. Die CIA und das FBI haben eigene Hundestaffeln, geschulte Hunde können bis zu 19.000 verschiedene Sprengstoffarten unterscheiden – da kommt keine menschengemachte Technik mit. Auch Schweine und Ratten lassen sich in dieser Hinsicht sehr gut ausbilden und kommen weltweit zum Einsatz. Ratten werden außerdem zur Minenräumung eingesetzt, zum Beispiel in den ehemaligen Bürgerkriegsgebieten in Afrika, weil sie den großen Vorteil haben, dass sie mit ihrem leichten Gewicht die Minen nicht auslösen.

taz: Noch einmal zurück zu Hvaldimir. Auch er konnte Dinge bergen. Es wird berichtet, er habe das Handy einer Touristin vom Meeresboden aufgehoben. Glauben Sie, Hvaldimir war tatsächlich ein ausgebildeteter Spionagewal?

Schimikowski: In diesem Fall gehe ich nicht davon aus. Ja, er suchte die Nähe zu Menschen, er hatte diese Kamerahalterung um, er konnte auch gewisse Kunststücke – das heißt, irgendeine Art von Training hat er auf jeden Fall absolviert. Die meisten trainierten Wale sind ja aber nicht bei Geheimdiensten tätig, sondern in Zoos und Aquarien, und da machen die genau so was: Sachen finden, Sachen herausholen und ähnliche Geschichten. Dazu diese Aufschrift, „Equipment St. Petersburg“ – aus Erfahrung kann man sagen, dass richtige Spionagetechnik in der Regel keinen Rückschluss auf ihre Herkunft zulässt. Da gibt es keine Länderkennung und schon gar keine Labels wie „Made by KGB“ oder Ähnliches.

Florian Schimikowski,geboren 1978, arbeitet als Historiker und Sammlungsleiter für das Deutsche Spionagemuseum in Berlin.