: Bitte kein Bling-Bling
Wie man mit der richtigen Hard- und Software beim Streamen und Shoppen den eigenen CO2-Fußabdruck klein hält: über gute Anbieter, schlankes Design und die passende Bildqualität
Von Ansgar Warner
Schöne neue Digitalwelt: niemand macht sich mehr bei der Arbeit die Hände schmutzig, es müssen keine Bäume sterben, Abfall verschwindet rumpeldipumpel im virtuellen Papierkorb. Doch so clean wie es das Design von Geräten und Benutzeroberflächen uns vorspiegeln möchte, ist die Welt der Bits und Bytes nicht. Das fängt schon bei der Hardware an. Ein Laptop oder ein Smartphone mag zwar im Betrieb kaum Strom verbrauchen, doch jedes Gadget kommt bei uns schon mit einem erheblichen CO2-Fußabdruck an, der bei der Herstellung entsteht.
Das größte Umweltproblem bereitet aber der hohe Vernetzungsgrad unserer Geräte. Sie alle nutzen das Internet, um rund um den Globus Daten in Rechenzentren abzurufen, auszutauschen oder abzuspeichern. Stellt man sich das Internet als ein Land vor, käme es mit seinem Energieverbrauch mitten unter die Dirty Top Ten weltweit, irgendwo zwischen Russland und Japan. Allein zehn Prozent des weltweit verbrauchten Stroms werden durch das Netz der Netze erzeugt. In Deutschland würde der Anteil in etwa dem Stromverbrauch von Berlin entsprechen.
Eine Suchanfrage bei Google & Co. verursacht mit geschätzten 0,2 Gramm CO2 zwar nur sehr wenig Emissionen. Ähnlich sieht es bei einer kurzen E-Mail mit etwa 0,3 Gramm Kohlendioxid aus. Doch die Masse macht’s. Milliarden von weltweiten Suchanfragen, genauso wie Milliarden von verschickten E-Mails bedeuten nämlich, dass Tag für Tag Hunderttausende Tonnen CO2 in die Atmosphäre verpuffen.
Je datenintensiver unsere Webaktivitäten, desto größer ist der Umwelteffekt. Die gute Nachricht dabei: Bereits über unser Surfverhalten können wir also dazu beitragen, unseren Alltag nachhaltiger zu gestalten. Wer eine Stunde lang hochauflösende Streamingvideos anschaut, verursacht mehr als 100 Gramm Kohlendioxidemissionen und damit etwa so viel wie ein Verbrennerauto, das einen Kilometer weit fährt. Also lieber nur DVDs einschieben? Nun ja. Wer beim Videostreaming die Auflösung verringert, erzielt bereits einen großen Effekt. In der Regel ist HD auf dem Bildschirm völlig ausreichend, auf Full HD oder Ultra HD kann man verzichten. Bei kleineren Displays wie Tablet oder Mobiltelefon reicht oft schon die Einstellung SD beziehungsweise Niedrig oder Basis.
Wer E-Mails kurz hält und auf aufwendige Anhänge verzichtet, landet ebenfalls im grünen Bereich. Außerdem sollte man gelesene E-Mails und deren Anhänge möglichst regelmäßig löschen. Es lohnt sich für die Umwelt, auf einen nachhaltigen E-Mail-Dienstleister zu setzen, etwa Posteo, Mailbox.org oder Ownbay. Diese Anbieter betreiben ihre Infrastruktur in Deutschland und nutzen Ökostrom. Sogar eine „grüne“ Suchmaschine ist am Markt. Das Berliner Social-Start-up Ecosia setzt schon seit 2009 auf CO2-Neutralität. Für jede Suchanfrage auf der Plattform, die im Hintergrund von Bing und Google bearbeitet wird, erfolgt eine Spende für Baumpflanzprojekte im globalen Süden.
Wer selbst eine Website betreibt, sollte durch das richtige Seitendesign dafür sorgen, dass sich die einzelnen Pages schnell laden lassen, und vor allem auch auf unnötiges Bling-Bling verzichten. Klimaneutrales Webhosting in Deutschland ist auch eine gute Idee. Wie gut eine Website in Sachen CO2-Fußabdruck abschneidet, kann man mit Online-Tools von „Website Carbon“ oder „The Green Web Foundation“ überprüfen.
Da wir mit dem Web mittlerweile vor allem via Smartphone in Berührung kommen, lohnt sich ein Blick auf den Homescreen in der Hosentasche. Werden all die Apps wirklich gebraucht? Im Zweifelsfall einfach löschen. Denn jede App belegt Speicherplatz und frisst Rechenressourcen, gerade ältere Geräte werden verlangsamt, Akkulaufzeiten verringern sich. Ob genutzt oder ungenutzt, oft sind Apps im Hintergrund online, laden Aktualisierungen herunter oder fleißig gesammelte Nutzerdaten hoch. Netzintensive Funktionen wie Push-Benachrichtigungen oder Ortungsdienste sollte man nur bei wirklich notwendigen Anwendungen aktivieren. Auf Apps mit Werbeeinblendungen verzichtet man besser gleich ganz, sie gelten zurecht als stromfressende Datenkraken.
Eine leidenschaftliche Debatte tobt regelmäßig rund um die Frage: Ist es besser online einzukaufen oder vor Ort? Die richtige Antwort hängt stark vom persönlichen Verhalten ab. Werden die bestellten Waren an eine Paketstation in der Nähe geliefert, die man zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichen kann, senkt man den CO2-Fußabdruck erheblich. Liefert der Dienstleister seine Waren mit Elektrofahrzeugen aus? Umso besser. Werden für den Versand Mehrwegverpackungen verwendet? Noch besser.
Auf der Berliner Technologie- und Industriemesse IFA, die bis 2004 als „Internationale Funkausstellung“ firmierte, rückt Digitalisierung immer stärker in den Fokus. Zu den diesjährigen fünf Top-Themen zählt auch die Nachhaltigkeit. Das diesjährige Programm umfasst mehr als 120 Speaker. Die IFA findet vom 6. bis zum 10. September auf dem Berliner Messegelände statt.
Wer sich alle ein, zwei Jahre ein brandneues Mobilgerät oder ein neues Laptop kauft, verhält sich natürlich auch nicht gerade sehr nachhaltig. Allein in deutschen Schubladen und Schränken lagern mehr als 100 Millionen gebrauchte Handys und Smartphones. Immer öfter werden aber auch generalüberholte Geräte als „refurbished“ von professionellen Händlern verkauft, in der Regel mit einjähriger Garantie. Ob Mobiltelefon, Klappcomputer oder Monitor, das lohnt sich nicht nur finanziell, sondern verringert auch die Umweltbelastung.
Seit einiger Zeit gibt es in Europa alternative Anbieter wie fairphone oder shift, die besonders langlebige Smartphone- und Tablet-Hardware herstellen, indem sie auf leichte Reparierbarkeit und Austauschbarkeit von einzelnen Modulen wie Bildschirm, Kamera oder Akku setzen. Außerdem garantieren sie Software-Updates für lange Zeiträume. Besonders vorbildlich für die gesamte IT-Branche: Es gib eine garantierte Rückgabeprämie, wenn man das Altgerät einsendet.
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