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DIE GESELLSCHAFTSKRITIK IIKubismus des Ich

WAS SAGT UNS DAS? Eine App für Smartphones und Computer zeigt Nutzern Frauen in ihrer Nähe

Die App „Girls around me“ ist eine Anwendung, die durch Auswertung öffentlicher Daten den Nutzer Örtlichkeiten mit für ihn besonders interessanten Frauen in seiner Nähe finden lässt. Die New York Times titelte, das sei eine App mit einer neuen Qualität von Gruseligkeit. Apple warf die App aus seinem Store.

„Girls around me“ kombiniert ausschließlich öffentlich zugängliche, für jeden einsehbare Daten. Und natürlich fragten wieder welche in Netzdiskussionen, warum die Frauen nicht zurückhaltender mit ihren Daten umgingen. Zurückhaltender als Männer, versteht sich, also: unsichtbarer als sie. Denn Frauen zu sagen, sie sollten sich halt bei Diensten wie Foursquare nicht anmelden, und wenn doch, dann halt bitte mit allen Risiken, heißt: Entweder ihr werdet unsichtbar, oder ihr habt es halt selbst so gewollt. Es ist die Wiederkehr des zynischen Arguments: Wer einen Minirock trägt, braucht über Vergewaltigung nicht zu klagen.

Die „Stalker-App“ist dabei eine beredte Metapher für das, was gerade flächendeckend passiert: Vergewaltigung als Sinnbild des allgegenwärtigen Kontrollverlustes.

Eine Online-Identität ist die Geschichte, die man im Netz von sich erzählt. Idealerweise selbstbestimmt. Tatsächlich fragmentieren und zerlegen Dienste und Applikationen diese Identität in kleine, marktkompatible Ausschnitte, die man dann weiterverkaufen kann, Einkommensklasse, Beziehungsstatus, Wohnort, Geschlecht. Identität ist online ein Rohstoff, der gehandelt wird.

Das Dilemma ist also folgendes: Einerseits braucht man diese Dienste, um online zu kommunizieren und sichtbar stattzufinden. Andererseits kann man sich nicht sichtbar machen, wenn man beliebig in Einzelteile zerlegt werden kann und am Ende ein zerrissenes, kubistisches Porträt abgibt. FRÉDÉRIC VALIN

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