Wirtschaftslage in der EU: Deutschland zieht Europa runter

Zuletzt ging die hiesige Wirtschaftsleistung zurück. Doch befindet sich das Land deswegen schon in einer Rezession?

Weniger Ausfuhren und kein Wachstum: Ist die deutsche Wirtschaft in einer Rezession? Foto: Stefan Boness/ipon

BERLIN taz | Eine Mitteilung des EU-Statistikamtes Eurostat hatte am Mittwoch Potenzial, kurz für Schrecken zu sorgen: Deutschlands Wirtschaftsleistung in Form des Bruttoinlandsprodukts ist demnach schon vier Quartale in Folge geschrumpft – und nicht erst in den drei Monaten von April bis Juni um 0,1 Prozent zurückgegangen. Letzteres hatte das Statistische Bundesamt gemeldet. Befindet sich Deutschland also in einer handfesten Rezession?

Auf jeden Fall zieht die größte Volkswirtschaft der Europäischen Union die gesamte Staatengemeinschaft hinunter. Diese weist wie die Eurozone immerhin ein Wachstum von 0,3 Prozent auf. Frankreich liegt genau im Schnitt. Italiens Wirtschaft ist immer noch um 0,2 Prozent gewachsen. Spaniens Bruttoinlandsprodukt legte mit 0,8 Prozent noch deutlicher zu. Die Niederlande können ein glattes Prozent Wachstum vorweisen. Spitzenreiter ist Polen mit einem Wirtschaftswachstum von 1,5 Prozent. Dort läuft es also weitaus besser als in Deutschland.

Doch ob in Deutschland eine Rezession herrscht, ist letztlich Definitionssache. Dabei gehen Volkswirte von einer Rezession aus, wenn das Bruttoinlandsprodukt zwei Quartale in Folge schrumpft. Doch jetzt wird es kompliziert. Denn auch das Schrumpfen ist Definitionssache. Denn die Statistikämter bereinigen die Wachstumszahlen von der Inflation, Saison- und Kalendereinflüssen, damit sie besser miteinander vergleichbar sind. So führen zum Beispiel zusätzliche Arbeitstage – etwa wegen eines Schaltjahres – zu höheren Wachstumszahlen. Doch vor allem werden zwei Wachstumsraten unterschieden: die im Vergleich zum Vorjahresquartal und die im Vergleich zum Vorquartal. Das ist entscheidend, wenn es darum geht, ob Deutschland sich laut der EU in einer Rezession befindet. Denn die Vorjahresquartalszahlen sind es, die laut der Eurostat-Mitteilung schon das vierte Mal in Folge negativ sind.

Bei den Vorquartalszahlen ist es anders: Von Januar bis Dezember wuchs die Wirtschaft im Vergleich zu Ende vergangenen Jahres um 0,2 Prozent. Das heißt, die Wirtschaftsleistung war Ende März 2024 zwar niedriger als Ende März 2023, aber immer hin noch höher als Ende Dezember. Folglich ist die Wirtschaft nach dieser Definition noch keine zwei Quartale in Folge geschrumpft und befindet sich auch noch nicht in einer Rezession. Und diese Sichtweise wird in der Regel auch von Ex­per­t*in­nen übernommen. Zumal die Zahlen für Deutschland bereits Ende Juli vom Statistischen Bundesamt veröffentlicht wurden.

Risiken gefährden Erholung

Optimismus herrscht trotzdem nicht. Das Wirtschaftsministerium beklagte am Mittwoch wachsende Herausforderungen bei der wirtschaftlichen Erholung. Unter anderem gebe es neue Risiken aus geopolitischen Entwicklungen, ungünstigeren globalen Konjunkturdaten und einer gestiegenen Volatilität an den Finanzmärkten.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.