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100 Jahre HauszinssteuerEine Steuer für den Neubau

Vor 100 Jahren wurde in der Weimarer Republik die sogenannte Hauszinssteuer eingeführt. Damit könnte auch heute wieder der Neubau angekurbelt werden.

Geld gab es nur, wenn Standards eingehalten wurden: Siedlung Schillerpark im Wedding Foto: Markus Schreiber

Berlin taz | Kriegsflüchtlinge, Inflation, Wohnungsmangel und kaum Bautätigkeit: Schlechte Rahmenbedingungen, die die Versorgung mit Wohnraum in Berlin erschweren, hat es bereits in den 1920er Jahren gegeben. So verwundert es nicht, dass heute wieder über ein Instrument diskutiert wird, mit dem vor 100 Jahren der Wohnungsneubau finanziert wurde.

Zurückgehend auf die Idee des ­Schöneberger Baustadtrats Martin Wagner ist 1924 die Hauszinssteuer im Freistaat Preußen eingeführt worden. Bis auf Württemberg gab es später in allen Ländern der Weimarer Republik solch eine Steuer, die auf Einnahmen aus der Vermietung gezahlt werden musste. Die Steuer wurde dann zum Teil in die Förderung des öffentlichen Wohnungsbaus investiert.

Einerseits Gewinne abschöpfen, andererseits Geld für den dringend be­nötigten Neubau bereitstellen: Angesichts des brachliegenden Wohnungsbaus und der hohen Profite, die heute oftmals mit der Miete gemacht werden, scheint eine solche Steuer so manchem wieder eine attraktive Allzweckwaffe zu sein.

Auch in der Weimarer Republik war die Hauszinssteuer eine Reaktion auf den dramatischen Wohnungsmangel. Zehntausende hausten in Kellerwohnungen. Einzelne Zimmer in ohnehin überbelegten Wohnungen wurden an ganze Familien untervermietet. Auch die während der Industrialisierung aufgekommenen „Schlafgänger“, die für nur wenige Stunden ein Zimmer mieteten, gehörten in den 1920er Jahren zum Alltag in Berlin. Nicht nur die Kriegsrückkehrer mussten unter­gebracht werden, auch die zahlreichen Flüchtlinge und die starke Zu­wanderung nach Berlin stellten die Wohnraumversorgung vor Herausforderungen.

Die Hauszinssteuer war aber auch eine Reaktion auf die Hyperinflation. Während diese vor allem die einfachen Arbeiter traf und Lebensmittelpreise von einem auf den nächsten Tag explodierten, profitierten gleichzeitig die Immobilienbesitzer von der Geldentwertung. Hypotheken ließen sich im Zuge der Hyperinflation einfach abzahlen, Häuser wurden in kürzester Zeit entschuldet.

Wohnungsbaugesellschaften entstehen

Mit der Hauszinssteuer sollte für diese Entschuldung ein Ausgleich ­geschaffen werden. Was auf der einen Seite an Zinsen gespart wurde, sollte nun in Form einer Steuer quasi an den Staat gezahlt werden. Die ­Einnahmen flossen zwar mit der Zeit immer mehr in den allgemeinen Haushalt, ein Teil wurde allerdings als zinsgünstige ­Hypothek für den gemeinnützigen Wohnungsbau zur Verfügung gestellt.

So kam es ab 1924 zu zahlreichen Gründungen von Wohnungsbaugesellschaften. Darunter auch der Gehag (die heute der Deutschen Wohnen gehört), die mit der Hufeisensiedlung, der Waldsiedlung Zehlendorf und der Papageiensiedlung mithilfe der Mittel aus der Hauszinssteuer die ikonischen Siedlungen des „Neuen Bauens“ errichtete.

In den Jahren vor der Weltwirtschaftskrise konnten in Berlin mithilfe der staatlichen Förderung im Jahresdurchschnitt über 25.000 Wohnungen gebaut werden. Neubauzahlen, die zwar auch damals nicht den damaligen Bedarf deckten, von denen man heute aber weit entfernt ist.

Wäre es also nicht recht und billig, nach diesem Vorbild die Einnahmen aus der Vermietung abzuschöpfen, um dringend benötigte Wohnungen zu bauen? Stefan Bach und Claus Michelsen vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung Berlin (DIW) hatten bereits 2021 solch einen Vorschlag gemacht.

Bis zu 30 Prozent Mietsteuer hatten sie kalkuliert für Mieten, die oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Steuereinnahmen von zusätzlichen 200 ­Millionen Euro im Jahr könne das für Berlin bedeuten, rechneten sie vor. Vom Mieterverein, einzelnen Stimmen aus der SPD sowie von Grünen und ­Linken erhielten sie dabei Zustimmung.

Dirk Löhr, Steuerexperte von der Uni Trier, ist dagegen skeptisch. „Die Idee, Neubau zu fördern und Immobilien steuerlich mehr zu belasten, ist grundsätzlich nicht schlecht. Der Teufel steckt aber im Detail“, sagte er der taz. Es gebe mehrere rechtliche Hindernisse für solch eine Hauszinssteuer.

Löhr bezweifelt zudem den generellen Effekt. Eine Fördermitteloffensive könnte zwar die Finanzierungskosten für den Neubau senken. „Es besteht dann aber wiederum die Gefahr, dass als Reaktion die Bodenpreise weiter ansteigen“, sagt er. Am Ende bleibe auch die Frage, wer die Steuer wirklich bezahle. „Wenn durch solch eine Steuer bereits bestehender Wohnraum belastet werden würde, dann ist es wahrscheinlich, dass die Kosten, wie es bereits bei der historischen Hauszinssteuer war, auf die Mieter übergewälzt werden.“

Auch in der Weimarer Republik trugen die Altbaumieter am Ende die Last der Steuer durch ihre Miete. Die Hauszinssteuer glich damit eher einem Solidarbeitrag, den die Mieter in günstigen Altbauwohnungen für den öffentlichen Wohnungsneubau leisteten.

Dennoch steht die historische Hauszinssteuer von 1924 für eine Zeit, in der der Staat erstmals den Wohnungsbau als öffentliche Aufgabe anerkannte. Dass solch ein Instrument 100 Jahre später mitunter wieder attraktiv erscheint, liegt vielleicht auch daran, dass so manchen das Gefühl beschleicht, der Staat komme dieser öffentlichen Aufgabe heute nicht mehr angemessen nach.

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11 Kommentare

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  • man könnte auch noch in Anlehnung zur Zweitwohnsitzsteuer eine weitere Abgabe für das Überschreiten einer maximalen Wohnfläche einführen (altersabhängig versteht sich). Oder eine drastische Erhöhung der Hebesätze zur Grundsteuer (natürlich nicht umlagefähig). Debatten um Mietpreisbremse, die prinzipielle Unzulässigkeit von Zeitmietverträgen, "Vererbung" des Mietrechts, weitere Beschränkungen umlagefähiger Nebenkosten im Kontext von Enteignungen tun ihr übriges, um den privaten Wohnungsmarkt zu ruinieren. Es ist eben nicht nur der spekulative, zinspolitisch begründete Leerstand, der zu der Misere beiträgt. Experten vermuten allein in Berlin 70.000 leerstehende Wohnungen. Nicht alle dürften dabei Objekte der klassischen Spekulation, sondern dem simplen Umstand zu verdanken sein, dass Eigentümer ihre Kontrolle übers Eigentum nicht ganz aus der Hand geben wollen. Ich wage kühn zu behaupten, dass eine gewisse Liberalisierung des privaten Wohnungsmarktes (nennen wir es vermieterfreundlich) zu einer spürbaren Entspannung des Wohnungsmaktes führen wird. Eine win-win Situation für Mieter, Vermieter und Fiskus.

  • Ein Griff in die Mottenkiste...Heute gibt es bereits die Einkommenssteuer, die das Einkommen (mittlerweile auch von Einkünften aus Vermietung) besteuert.

    Und eine ganz banale Frage: Warum sollte eigentlich noch jemand vermieten, wenn dieses nicht mehr attraktiv ist?

    Einfacher wäre es, die Anzahl der Menschen in Deutschland bzw. einzelnen Städten auf ein Maß zu begrenzen, welches auch dem Staatsvolk und der Wohnungssituation zuzumuten ist. Das ist aber nicht taz-like

  • Wieso erhebt man nicht einfach die Grundsteuer?

    • @DiMa:

      wurde ja bereits erhöht (o.k neu festgelegt), aber die wird auf die Miete umgelegt. Man könnte das natürlich ändern. Alternativ könnte man auch noch die KapSt aus Vermietungen (die ja nur bei 25% liegt) deutlich erhöhen.

      • @Jutta57:

        Die Hauszinssteuer würde - nach klassischem Vorbild - ebenfalls auf die Miete umgelegt werden. Warum also eine komplett neue Steuer einführen (einschl. Neuer Berechnungsmetjodik und allem pi pa po) wenn es auch viel leichter ginge?

        Übrigens beträgt die KapSt auf Vermietungseinnahmen nur 15 Prozent.

        • @DiMa:

          Ja, 25% ist quatsch. Sagen wir es besser mal so: Bei Einkünften aus Vermietung gilt der persönliche Steuersatz.

          • @Jutta57:

            Sorry, vielleicht habe ich es falsch Verstanden, bei Einkommen aus Vermietung und Verpachtung gilt der persönliche Steuersatz (Anlage V) bei Privatpersonen.

            Wie es bei Kapitalgesellschaften und gewerblicher Vermietung aussieht ist ein anderes Blatt.

  • Soll das die Wunderwaffe gegen Mietwohnungsnotstand sein? Wohl kaum.



    Enteignung von Vonovia und Deutsche Wohnen, aber auch die unsägliche Adler-Group!



    Da führt kein Weg daran vorbei.



    Wie lange wollt ihr euch das Gequatsche der Politiker noch anhören?



    Wohnen darf keine Ware sein, die dann zum Spielball von Großbanken werden!

    • @Horst Schlichter:

      Und was würde sich durch Ihre Vorschläge verbessern? Gibt es durch Enteignungen mehr oder besseren Wohnraum? Finden Wohnungssuchend dadurch schneller Wohnraum?

  • Diese Politiker haben keine Lösung für die Wohnungsproblematik, weder in Berlin noch in ganz Deutschland.



    Deshalb wählt weiter CDU, SPD, Grüne, Afd.....damit seit ihr auf der sicheren Seite, dass die "Wohnungspolitik", also das Nichtstun, so bleibt wie bisher.



    Schön ist auch das seit Jahrzehnten SPD-regierte München. Horrormietpreise aber "ozapt is".



    Die Frage ist, wie groß ist das Versagen auch auf anderen Gebieten?

    • @Horst Schlichter:

      Was würden Sie denn empfehlen? die SED-Linke, die die DDR zugrunde gewirtschaftet hat mit kostenfreiem Wohnen?